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Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
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in den Weg stellt. Wenn sie nicht graben, gehen sie grasen und lassen sich dabei von nichts aufhalten. Schon gar nicht von einem Zaun. Wombats sind Gewohnheitstiere: Sie gehen gerne immer auf demselben Weg. Wenn ein Bauer glaubt, er müsse über eine Wombatstraße einen Zaun ziehen, zieht er in der Regel den Kürzeren. Schon am nächsten Morgen ist der Draht zerrissen, oder der Wombat hat sich drunter durchgegraben. So sind die Tiere selten die besten Freunde der Bauern. Obwohl gesetzlich geschützt, werden sie gejagt, abgeschossen, vergiftet. Eine früher weitverbreitet lebende Unterart, mit dem großartigen Namen »Haarnasenwombat«, ist aus genau diesem Grund vom Aussterben bedroht.
    Unser »Creek« ist ein Paradies für Wombats. Dutzende von Tieren leben entlang des Baches, eine richtige Wombatkolonie. Sie wohnen in einer Vielzahl von Höhlen, die den Rand des Baches säumen. Wir haben uns entschieden, den Großteil unseres Grundstücks abzuzäunen und der Natur zu überlassen, als eine Art privater Nationalpark. Somit sind die Wombats ungestört und natürlich auch die Kängurus und andere Tiere.
    Aber eben auch die Braunschlange. Plötzlich sehe ich sie auf dem Pfad liegen, keine zwei Meter vor David. Der Kleine rennt direkt auf sie zu. »Achtung, David«, schreie ich, »Schlange!« Der Dreijährige springt hoch – mindestens einen Meter in die Luft – und hechtet über das Tier, das sich erschreckt aufgerichtet hat wie eine Kobra. Kaum setzt David auf dem Boden auf, springt er wieder hoch – noch einmal über die inzwischen sichtlich irritierte Schlange – und fliegt mir direkt in die Arme. Diese akrobatische Glanzleistung dauert im besten Fall drei Sekunden – für mich eine Ewigkeit. David klammert sich an mich wie das Krabbenmonster im Gruselfilm »Alien«. Ich renne davon, so schnell ich kann, weg von der Schlange. Auch als wir endlich stehen bleiben, halte ich David fest und will ihn nie mehr loslassen.
    An diesem Tag werfe ich ein Prinzip über Bord. Ich werde eine Braunschlange töten, wenn ich sie erwische. Wenn’s um die Sicherheit meiner Familie geht, muss Tierschutz in der zweiten Reihe stehen. Bis heute musste ich diesen Plan nie umsetzen, zum Glück. Denn selbst wenn es mir gelänge, eine Schlange zu stellen, hätte wohl eher ich das Nachsehen, nicht das Tier. Die meisten tödlichen Schlangenbisse sind das Ergebnis eines Versuches, das Reptil zu erschlagen. Oder die Folge von Ignoranz. Nicht alle Begegnungen mit Schlangen laufen so glimpflich ab. Im Frühjahr 2013 sah ein junger Hockeyspieler auf dem Rasen seines Clubs eine Schlange liegen, von der er glaubte, es handle sich um eine ungiftige Python. Er hob sie hoch, sie biss ihn. Nicht weiter tragisch, dachte er, trug das Tier in den nächsten Wald und machte sich auf zum Joggen. Zwanzig Minuten später brach er bewusstlos zusammen. Am nächsten Tag war der Sportler tot. Das Tier war keine Python gewesen, sondern eine Braunschlange. Der bedauernswerte Mann hatte genau das getan, was man in einer solchen Situation unter keinen Umständen tun sollte: Er rannte und pumpte auf diese Weise das Gift durch den ganzen Körper. Sein Todesurteil.
    Ich habe mich oft gefragt, weshalb australische Schlangen mit derart starken Giften ausgerüstet sind, eigentlich viel zu stark, um eine Maus zu töten oder eine kleine Echse. Es gibt dazu viele Theorien, aber die logischste ist diese: Australische Schlangen können es sich schlicht nicht leisten, dass ihnen die Beute davonrennt. In der unwirtlichen Weite des australischen Outbacks haben die Reptilien nur sporadisch Gelegenheit für einen Fang. Beutetiere leben weit verstreut in einer oft kargen und in der Regel trockenen Landschaft. Nur ab und zu spüren Schlangen eine potentielle Beute auf. Das Opfer zu beißen, und danach zu verlieren, ist schlicht keine Option. Denn es könnte Wochen dauern, bis die Schlange wieder Gelegenheit zum Fressen hat. Deshalb das extrem starke Gift. Die Schlange beißt zu, das Beutetier ist tot. Innerhalb von Sekunden.
    Dass sie hocheffiziente Überlebenskünstler sind, macht Schlangen in der Bevölkerung allerdings auch nicht populärer. Kein Lebewesen ist in Australien wohl weniger beliebt als Schlangen.
    Mit einer entscheidenden Ausnahme: Politiker.

KAPITEL 22
    Ich erinnere mich gut an meinen ersten, indirekten Kontakt mit der australischen Politik, in den ersten Tagen nach unserer Ankunft. Wir hatten auf dem Trödelmarkt einen Schwarzweißfernseher gekauft, für

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