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Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
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Firma. Er kontrolliert in diesem Staat das Wertvollste überhaupt: Jobs. Gay ist bestens mit den führenden Persönlichkeiten der tasmanischen Politik verbunden. Vetternwirtschaft, Handschlagabkommen, sie sind in diesem Geschäft Alltag. Die Methusalem-Bäume sterben nicht etwa, um als edle Wandschränke oder teurer Bodenbelag zu enden: 90 Prozent des Holzes werden zu Holzschnitzeln verarbeitet – zu sogenannten Woodchips. Die zentimeterkleinen Faserstücke dienen Firmen in Japan als Rohstoff für die Herstellung von Einkaufstüten und anderem Verpackungsmaterial.
    Wirtschaftlich gesehen spreche vieles für die Rodung von Urwäldern in Tasmanien, erklärt mir später Terry Edwards, Sprecher des Tasmanischen Forstverbandes in Hobart. Die Holzindustrie schaffe Jobs. Nur einen Steinwurf von Edwards’ Büro entfernt, in einer alten Villa mit einem verwilderten Garten, brütet sein Erzfeind über den Akten seiner Anwälte. Geoff Law, Chefkoordinator der Wilderness Society. Die Holzfäller genössen dank ihrer »unheiligen Allianz mit der Regierung und den Gewerkschaften« eine überaus großzügige Position, was die Nutzung »unserer Urwälder« angehe. »Man darf nicht vergessen«, sagt Law, »die Bäume sind Eigentum aller Tasmanier.«
    In den Wäldern von Tasmanien zeigt sich beispielhaft ein Phänomen, das Australien prägt und das Schicksal dieses Landes bestimmt: ein extrem kurzfristiges Denken der Entscheidungsträger. Kurzfristiger Gewinn – politisch oder wirtschaftlich – hat fast immer oberste Priorität, selbst wenn er auf Kosten der Umwelt geht und der wirtschaftlichen Zukunft kommender Generationen. Nachhaltigkeit ist für viele Politiker ein Fremdwort. Hier in Tasmanien wird das Sprichwort vom Menschen, der den Ast absägt, auf dem er sitzt, wahr. Der durchschnittliche Urwaldriese – zu Holzschnitzeln verarbeitet – bringt gerade mal 180 Euro ein. In einem Gebiet Tasmaniens aber, das touristisch erschlossen ist, legen Gruppen von Reisenden aus Japan und Korea jede Stunde ein Mehrfaches dieser Summe auf den Tisch, nur um einmal in ihrem Leben einen solchen Baum sehen zu können und vielleicht sogar zu berühren. »Für viele Besucher ist es ein tiefes emotionales, ja lebensveränderndes Erlebnis, ein 400 Jahre altes Lebewesen zu sehen und zu berühren«, erzählt mir der Ranger. Wieder bin ich mit Vica Bayley unterwegs, diesmal in einem Rodungsgebiet, das dem Ziel, eine Plantage zu werden, schon näher gekommen ist. Zwei Tage nach dem Inferno. Zwischen verkohlten Ästen sehen wir ein Echidna, ein australisches Stacheltier. Es sucht in der toten Landschaft nach Futter. »Hier wird ein ganzes Ökosystem vernichtet«, erklärt Bayley. Kahlschlag ist unglaublich verschwenderisch. Tonnen von brauchbarem Holz bleiben als »Abfall« liegen. Regelmäßig kommt es zu Konflikten zwischen Holzfällern und Aktivisten, die sich den Bulldozern und Erntemaschinen in den Weg stellen. Schlägereien, eingeschlagene Autoscheiben, aufgeschlitzte Reifen, Zucker im Tank. Trotzdem ist Geoff Law überzeugt: »Wir werden siegen.«

    *

    Einige Jahre sind seit dieser Reise vergangen. Geoff Laws sollte recht behalten – zwar nicht ganz, aber auf ganz spektakuläre Weise. Der langjährige Druck der Umweltorganisationen auf die Käufer der Holzschnitzel führte dazu, dass sie ihre Verträge mit Gunns kündigten. Gleichzeitig brachen weltweit die Preise für Holzschnitzel ein. 2012 meldete Gunns Konkurs an. Ihr mächtiger Chef John Gay, der König Tasmaniens, verlor seine Krone. Nach dem Zusammenbruch des Aktienpreises seiner Firma wurde er auf Druck der Aktionäre gefeuert.
    Anfang 2013 einigen sich die tasmanischen Forstbehörden und die Umweltschützer auf einen Kompromiss: der Schutz von mehr Urwäldern gegen die Zusicherung, dass es in zur Abholzung vorgesehenen Gebieten keine Proteste mehr gebe. Und im Juni 2013 erklären die Vereinten Nationen 170 000 Hektar tasmanischen Wald zum Weltkulturerbe. Doch sicher vor dem Zugriff skrupelloser Politiker und einer profitgierigen Industrie ist die tasmanische Natur trotzdem nicht. Wochen später meldete die konservative Oppositionspartei, sie werde das Fällen auch in diesen Schutzgebieten erlauben, sollte sie gewählt werden.

KAPITEL 24
    Die Erlebnisse in Tasmanien haben mich noch entschlossener gemacht, bei uns in Greentown einen Raubbau an der Natur, an der Umwelt zu verhindern. Corina und ich treffen uns oft. Langsam gesellen sich weitere Leute zu unseren

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