Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
Vom Netzwerk:
Captain-Sitz einer internationalen Maschine von Qantas, der australischen Fluglinie. »Hier fliege ich so viele Kilometer in einer Woche wie andere in drei Monaten. Das wäre niemals möglich, wenn ich in einer Großstadt wie Sydney leben würde.«
    Mit seiner Hand fährt Tom über den scharfen Rand des Propellers, sorgfältig prüfend. Dann die Heckflosse. »Unebenheiten sind der Killer«, sagt er. »Selbst kleine Steine können einen verheerenden Schaden anrichten, und das kann hier draußen sehr schnell mal das Ende bedeuten.« Dann geht’s zum Treibstofftank im Flügel, zu den Rädern, zum Motor. Ein Tropfen Öl, ein bisschen Schmiere, wo sie nicht hingehören sollte, und die Maschine bleibt am Boden. Doch Tom ist zufrieden. »Alles o.k.«, sagt er. Von einem kleinen Rollwagen heben wir die Postsäcke in den Frachtraum der Maschine. Hinter uns, in respektvoller Distanz und gekleidet in einen für die Situation gänzlich unpassenden Nadelstreifenanzug, steht Kim. Er ist ein Reporterkollege aus Korea und eindeutig kein Freund kleiner Flugmaschinen. Kim schaut die Cessna an, als wäre sie sein Sarg. »Ich bin nicht sicher«, stottert er in gebrochenem Englisch, »ob ich mich hier wohl fühle.« Der 28-Jährige ist eigentlich Finanzjournalist und nicht wirklich für dieses Abenteuer gerüstet. Er war für eine der größten Wirtschaftszeitungen Koreas bei einer Konferenz in Sydney. Dann sah sein Redakteur zu Hause in Seoul im Fernsehen zufällig einen Bericht über die fliegenden Postboten Australiens. »So bin ich eben noch nach Cairns geflogen.« Er klammert sich an seinen kleinen Rucksack, als wir in die Maschine steigen. Wir schnallen uns in die engen Sitze, ich im Copilotensitz, Kim hinter mir. Wir montieren die Kopfhörer. Jeder ist mit einem Mikrofon ausgerüstet. Das erlaubt uns, trotz des Motorenlärms in der Kabine miteinander zu sprechen. Wir hören auch den Funkverkehr mit, den Tom und der Kontrollturm führen. »You are okay for takeoff«, sagt eine kratzige Stimme. Kim atmet durch den offenen Mund. Schweiß steht ihm auf der Stirn. Dabei ist es doch noch gar nicht warm an diesem schönen Sommermorgen. Aber das soll sich bald ändern. Weit über 40 Grad sind heute angesagt.
    Wir heben ab und fliegen mit einem leichten Bogen in Richtung Norden. Im Osten sehen wir das Meer und ein paar Schiffe, die an diesem Morgen unterwegs sind in Richtung Barrier Reef. Die Sonne blendet, je nachdem, wie das Flugzeug am Himmel steht. Ich bin erstaunt, wie stabil die Maschine gleitet. Kim scheint sich beruhigt zu haben. Mit seiner Kamera knipst er aus dem Seitenfenster. Die aufgehende Sonne taucht das Land unter uns in ein traumhaftes Licht.
    Es ist nicht das erste Mal, dass ich in einem solch kleinen Flugzeug unterwegs bin, ich bin auf meinen Reisen pro Jahr mindestens ein halbes Dutzend Mal in diesen vier- oder sechssitzigen Maschinen unterwegs. Cessnas sind die Transportmittel der Wahl, wenn man in einigermaßen akzeptabler Zeit in die abgelegenen Regionen Australiens will, in Gebiete, die von den größeren Fluglinien nicht bedient werden. Hunderte von Kleinmaschinen fliegen jeden Tag zwischen den Regionalstädten und den kleineren Siedlungen im Outback. Ich habe eigentlich kein Problem, in diesen Maschinen zu reisen, aber Christine macht sich jedes Mal wesentlich größere Gedanken um mich, als wenn ich in einem Krisengebiet bin. »Wenn du mal im Job stirbst, wird es in einem dieser kleinen Flugzeuge sein«, sagt sie vor jeder Abreise. Auszuschließen ist das nicht. Jedes Jahr kommt es zu Abstürzen, und sie enden fast immer tödlich. Oft dauert es Tage, bis das Wrack im unzugänglichen Gebiet gefunden wird. So ist es auf jeden Fall gut, wenn man sich vor jedem Abflug den Piloten genau anschaut, um zu sehen, ob man ihm sein Leben anvertrauen will.
    Ohne Buschpostboten wären die Menschen im Outback noch isolierter vom Rest der Welt. Ob im Northern Territory, in Südaustralien, in Westaustralien oder eben hier in Queensland – der »Aerial Postal Service« ist für viele Bewohner von Rinderstationen im australischen Inland nicht nur ein unverzichtbarer Lieferservice von Briefen und Paketen, er ist ein wichtiger – oftmals sogar der wichtigste – Moment in der Woche. »Manchmal komme ich mir vor wie der Weihnachtsmann«, sagt Tom durchs Mikrofon, als wir über die südlichen Ausläufer des Daintree-Nationalparks in Richtung Westen fliegen. »Die Menschen erwarten mich sehnsüchtig, dabei bringe ich doch nur

Weitere Kostenlose Bücher