Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
die Post.« Zweimal in der Woche fliegt Tom seine Route, jeweils mit weit über 200 Kilo Pakete, Briefe »und gelegentlich einer Eisbox mit Insulin«. Viele Bewohner im Inland nutzen seinen Dienst, um lebenswichtige Medikamente einzufliegen. Die meisten Farmer haben zwar selbst eine kleine Cessna, aber nach Cairns zu fliegen kostet Zeit und sehr viel Geld. So kommt es, dass Tom zum Lieferjungen für alles wird. »Ich habe schon mal einen Kasten Rum mitgenommen und einmal einen kleinen Hund, der im Tierspital war. Seine Besitzerin hatte derart Sehnsucht nach ihm, sie wollte nicht mehr warten.«
Nach einer Stunde Flug unsere erste Landung. In etwa 300 Metern Höhe setzen wir zum Abstieg an. Unter uns eine typische »Buschpiste«, eine Landebahn, herausgeschnitten, herausgepflügt aus der dürren Vegetation der Savanne. Wir sind im Süden von Cape York, einem der wildesten Gebiete Australiens, fast menschenleer, eine Halbinsel, die wie die breite Spitze einer Lanze nach Norden zeigt, nach Papua-Neuguinea. Im Osten das Korallenmeer, im Westen der Golf von Carpentaria. Doch im Zentrum der Halbinsel spürt man meist nur die Trockenheit. Genutzt wird Cape York vorwiegend zur Rinderzucht. Etwa 60 Prozent des Landes werden von Rinderfarmen kontrolliert, riesigen Gebieten, die auf sogenanntem »Crown Land« liegen. Das ist Land, das zwar dem Staat gehört, aber von Rinderzüchtern »geleast« werden kann, für 99 Jahre. Diese »Lease« kann genauso wie privater Grundbesitz gekauft und verkauft werden. Daneben spielt der Bergbau eine wichtige Rolle. Im Norden, bei der Stadt Weipa, wird Bauxit abgebaut, der Grundstoff für die Herstellung von Aluminium. Im Süden von Cape York gibt es einige Aboriginal-Gemeinden. Sonst ist das Land kaum bewohnt. Wildnis pur – Hunderte von Touristen nehmen jedes Jahr in Allradfahrzeugen die beschwerliche Strecke an die nördlichste Spitze des australischen Festlandes unter die Räder. Diese Reise gehört zu den letzten großen Abenteuern auf dem fünften Kontinent.
Wir setzen auf der staubigen Piste auf. Obwohl der Landeplatz flach ist und gut unterhalten, springt unsere Maschine zwei-, dreimal hoch. Kim schnappt nach Luft. Wir rollen hundert Meter und wenden dann scharf. Wir fahren in Richtung eines Autos. »Hey Jane, wie geht’s«, fragt Tom die blonde Frau, die auf uns wartet. Sie trägt einen Akubra-Hut, fast so groß wie ein mexikanischer Sombrero. Kim und ich sind froh, dieser fliegenden Sardinendose entkommen zu können. Während Tom die Pakete und Briefe entlädt und in Janes Wagen legt, können wir die Frau interviewen. Sie lebe hier seit 15 Jahren, erzählt sie, auf einer 2000 Hektar großen Farm. »Meine beiden Mädchen sind im Internat in Brisbane«, sagt sie. Sie und ihr Mann seien jetzt alleine. Das Schicksal vieler Outback-Familien. Während die Grundausbildung über die »School of the Air« vermittelt wird, über Distanz, mit Hilfe von Funk und Internet, müssen die meisten Kinder aus den abgelegenen Regionen des Landes für ihre höhere Ausbildung, die »High School«, in eine größere Stadt ziehen. »Ja, das tat schon weh«, sagt Jane, als ich sie frage, ob die Trennung von ihren beiden Mädchen hart war. »Und es schmerzt noch immer. Die Kinder kommen nur während der längeren Ferien nach Hause, und sie haben immer Heimweh. Aber das ist halt unser Schicksal.« Ich schwöre mir selbst, meine Kinder nie ins Internat zu schicken.
Der Zwischenstopp hat gerade mal fünf Minuten gedauert, genügend Zeit für eine Tasse Tee aus der Thermosflasche und selbstgebackene Plätzchen. »Es wäre undenkbar, dass uns eine Outback-Frau nichts anbietet«, sagt Tom, als wir wieder abheben. Ich drehe mich um und schaue Kim an. »Outback-Gastfreundschaft«, sage ich, »deshalb liebe ich es hier so.« Kim nickt und lächelt verklemmt. Dem Mann geht es nicht gut.
Wieder auf Flughöhe, meint Tom, es werde »jetzt gleich etwas holpern«. Keine 30 Sekunden später treibt uns die Thermik schlagartig nach oben, dann gleiten wir ebenso rasch wieder runter. Wären wir nicht in unseren Sitzen festgeschnallt und praktisch bewegungsunfähig, wir wären wohl durch die Decke der Maschine geschossen. »Sorry«, sagt Tom. »Kim, der arme Kerl«, denke ich und drehe mich um. Doch es ist zu spät. Kim erwidert meine Fürsorge mit einem Schwall Erbrochenem. Über meinen Sitz, über meine Schulter. Koreanische Nudeln, dazu grüner Tee, überall. Ich ertrage eigentlich viel, aber Erbrochenes, das ist
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