Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
nur die Vorurteile der Bogans bestätigen – und schon haben sie Millionen von Zuhörern.«
Woher der Name stammt, konnte mir bisher noch niemand mit Gewissheit sagen. Einige Soziologen meinen, der Begriff »Bogan« sei in den siebziger Jahren in den Suburbs von Melbourne entstanden. In den letzten Jahren hat er aber eine Wandlung erfahren. Nicht nur, dass er seine Rolle als Schimpfwort zum Teil verloren hat. Mehrere Fernsehserien zelebrieren »Boganism« inzwischen mit großem Erfolg. »Kath and Kim« ist die Geschichte einer Vorortsfamilie, deren Mitglieder in Ugg Boots durch das Einkaufszentrum rennen, immer auf der Suche nach dem besten Deal. Im August 2013 debütierte die neue Serie »Upper Middle Bogan« über eine Frau der Oberklasse, die feststellt, dass sie eigentlich einer Bogan-Familie entstammt. Beide Fernsehprogramme porträtieren in durchaus respektvoller, aber trotzdem sehr lustiger Art Australierinnen und Australier, die zur neuen Form eines Bogan gehören, einer Edelversion sozusagen: der sogenannte »CUB« oder »Cashed up Bogan«. Damit ist ein durchaus wohlhabender und unter Umständen durchaus auch gebildeter Australier der gehobenen Mittelklasse gemeint, der trotzdem ignorant ist gegenüber dem Rest der Welt, gegenüber Problemen, die ihn nicht direkt betreffen, der selbstverliebt ist, konsumsüchtig und generell sehr konservativ.
Ob »Assi«-Bogan oder »CUB«: Bogans gehören zu Australien wie Koalas und Kängurus. Sie sind inzwischen Teil der Folklore. Und einige sind meine Freunde. Ich habe im Verlauf der Jahre viele Menschen, die man wohl als Bogans bezeichnen würde, als äußerst angenehme, anständige Gesprächspartner und hilfsbereite Menschen schätzen gelernt. Wenn allerdings ihre Zahl an einem Ort überhandnimmt, hat das genauso Konsequenzen für die Gemeinde, als würden in einem Dorf fast nur noch Millionäre leben. In einem Umfeld, in dem insuläres Denken vorherrscht, ist es sehr schwierig und schließlich fast unmöglich, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Welt größer ist als Greentown, größer als Australien und dass wir Teil der Welt sind.
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»Ni Haˇo, Bà ba. Woˇ ài ni«, sagt Samuel. »Hallo Papa, ich hab dich lieb« auf Chinesisch, und ich bin ein klein wenig stolz. Es war nicht ganz einfach, in unserer Schule Chinesisch als Unterrichtsfach einzuführen. Inzwischen sprechen Samuel und David bereits so gut Mandarin, dass sie am Frühstückstisch über Christine und mich lästern können, ohne dass wir auch nur ein einziges Wort verstehen.
Wenn mir meine Reisen durch Minen, Sitzungszimmer von Rohstoffunternehmen und Kohleverladeanlagen eines gezeigt haben: Chinesisch wird in Australien irgendwann die zweite Landessprache sein. Nicht nur, weil China mit Abstand der wichtigste Exportpartner ist. Nicht nur, weil jedes Jahr Zehntausende von in der Regel wohlhabenden Chinesen nach Australien auswandern oder ihre Kinder hier zur Schule schicken. In vielen Bergbaukonzernen sind Chinesen die wichtigsten Anteilseigner. Wer heute Chinesisch lernt, hat morgen dramatisch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ein Professor an der australischen Nationaluniversität erzählte mir in einem Interview, er habe fast täglich Anfragen von Unternehmen, die Studenten mit Sprachkenntnissen in Chinesisch suchten. So legte ich bei einer der ersten Elternversammlungen in unserer kleinen Primarschule meine Idee vor. Ungläubiges Schweigen. »Chinesisch?«, fragte Jim, der Vater einer von Samuels Schulkameradinnen. »Wieso sollen unsere Kinder Chinesisch lernen? Das chinesische Restaurant an der Hauptstraße hat eine englische Speisekarte!« So absurd diese Reaktion auch scheinen mag, sie ist keine Ausnahme. In Australien kommunizieren zwar vier Millionen Menschen – in der Regel Einwanderer und ihre Nachkommen – in einer anderen Sprache als Englisch. Eine zweite Sprache zu lernen oder gar eine dritte, und zwar bis man sie beherrscht, gilt aber als fast so exotisch wie das Erlernen von Bauchtanz oder Tantra-Übungen. Ein Sprachkurs ist in den meisten High Schools zwar Pflicht, aber in der Regel nur zwei Jahre lang. Und auch diese Zeit ist oft verloren. Denn die Schüler haben in den meisten Fällen nur etwa zwei Stunden Sprachunterricht pro Woche. Kein Wunder also, dass es vielen an Interesse fehlt, eine Sprache wirklich zu beherrschen. So können die meisten Australierinnen und Australier ein paar Brocken Japanisch, Französisch oder Deutsch. Ein paar Sätze immerhin, die
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