Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
man auf Partys zitieren kann, zur Belustigung der Mitfeiernden. »Kann isch bötte een Beer happen?«, weiter gehen die Grundkenntnisse in Deutsch selten. Immerhin kommt man damit in München und Berlin durch.
Lynn, unsere Freundin und ehemalige Lehrerin, hat natürlich auch dazu eine Meinung. »Es ist ein grundsätzliches Problem«, erklärt sie mir, »wir Australier glauben, jeder Mensch auf der Welt spreche Englisch.« Es sei, so die um starke Worte nie verlegene Lynn, »die imperialistische Grundhaltung« vieler englischsprachiger Länder. »Schau dir nur mal die Amerikaner an. Die sind genauso ignorant.« Diese Selbstgefälligkeit fällt auch mir immer wieder auf. Viele Australierinnen und Australier sehen es als Selbstverständlichkeit, dass jeder Mensch auf der Welt Englisch sprechen muss. Kaum jemand weiß, dass nicht Englisch die am häufigsten gesprochene Sprache ist, sondern Chinesisch.
Zu meinem großen Erstaunen stimmte die Mehrheit der Eltern nach dem ersten Schrecken aber schnell zu, Chinesisch als Unterrichtsfach anzubieten. Ich lernte, dass in Australien Dinge noch möglich sind, die zumindest in der Schweiz oder in Deutschland schwieriger zu schaffen wären. Eltern können hier aus eigenem Antrieb eine bedeutende Ausweitung des Schulprogramms erwirken. »Komplett unmöglich bei uns«, sagt mir eine Bekannte, die an einem Gymnasium in München als Lehrerin arbeitet.
Gelegentlich – wenn auch selten genug – zeigt sich doch noch der Pioniergeist, ohne den Australien nicht das geworden wäre, was es heute ist.
Jetzt mussten wir nur noch eine Chinesischlehrerin finden. Das ist in einer »weißen« Kleinstadt wie Greentown nicht gerade einfach, wo die meisten Bewohner englischen, schottischen oder irischen Ursprungs sind. Doch wir hatten Glück, zumindest glaubten wir es. Eine Frau mittleren Alters meldete sich auf unsere Zeitungsanzeige. Sie könne Chinesisch unterrichten. Sie hielt sich aber nicht lange. Ihre Kenntnisse der Sprache waren zwar erster Klasse, ihre pädagogischen Fähigkeiten beschränkten sich aber auf das Herumkommandieren der Kinder. Erst später erzählte sie mir, dass sie eigentlich Spionin gewesen sei: »Ich habe fünfzehn Jahre lang als China-Analystin beim australischen Geheimdienst gearbeitet.«
Dann meldete sich Yiu Ying, oder Eugene, wie wir sie nennen dürfen. In China geboren, in China aufgewachsen – und eine brillante Pädagogin. Ein Glücksfall. In kürzester Zeit begann Eugene, nicht nur in der Primarschule zu unterrichten, sondern auch in der High School. So ist es heute möglich, dass Schüler in Greentown von frühesten Kindesbeinen an Chinesisch lernen können und die Sprache zum Ende der High School so weit beherrschen, dass sie damit an die Universität können. Für eine Landgemeinde wie Greentown eine Seltenheit.
Doch es wäre falsch, zu glauben, die Idee sei nur auf freudige Zustimmung gestoßen. »Meinst du, deine Kinder sind besser als meine?«, so eine schnippische Reaktion. Wer in Australien zugibt, eine zweite oder dritte Sprache zu beherrschen, kann schnell mal als »Snob« gelten, als »Smartarse«, als Streber.
Aber es sind nicht nur Sprachkenntnisse. Es wird nicht gerne gesehen, wenn man in Australien sein besonderes Wissen oder seine besonderen Begabungen zeigt. Das ist einer der Gründe – bestimmt nicht der einzige –, weshalb viele der besten australischen Forscher und Intellektuellen ins Ausland gehen. »Der Status, den Denker in Australien haben, ist unter jedem Hund«, erklärt mir ein australischer Universitätsdozent, den ich bei einem Empfang in Südostasien treffe, »das pure Gegenteil von dem, was ich hier in Singapur erfahre.« Kaum ein Land der westlichen Welt habe eine derart tiefverwurzelte Abneigung gegenüber intellektueller Entwicklung und Leistung wie Australien.
Wer’s nicht glaubt, muss nur Alecia Simmonds fragen. »Australien hasst Denker«, klagt sie. Die Rechtsdozentin an der University of New South Wales ist eine der schärfsten Kritikerinnen des »Anti-Intellektualismus«, der sich durch fast alle Bereiche des Lebens in Australien zieht. Die notorische Abneigung weiter Teile der australischen Bevölkerung gegenüber Akademikern und Intellektuellen sei umso unverständlicher, weil universitäre Ausbildung eine der wichtigsten Exportindustrien des Landes ist. Zehntausende von zahlenden Studentinnen und Studenten aus aller Welt studieren jedes Jahr an australischen Universitäten und bringen so Milliarden von
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