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Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
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schmiert sich mit Mückenmittel ein. Max stellt mich vor. »Hallo, ich bin Shane«, erwidert der Manager und reicht mir die Hand. »Ich weiß«, sage ich.
    Shane ist ein gesprächiger Mann. Er sei mit seinen beiden Jungs hier, um die Vater-Sohn-Beziehung zu stärken. »Ich habe sonst sehr wenig Zeit für sie, so habe ich mir gedacht, wir machen mal ein paar Männertage.« Ein Vater mit schlechtem Gewissen. Kenne ich. Jedes Mal wenn ich unterwegs bin, überfällt es mich. Am nächsten Tag will er mit seinem jüngeren Sohn jagen gehen. »Das muss jeder Mann mal mit seinem Sohn tun«, erklärt er mir. Schweine, wilde Stiere, Pferde, Büffel – eingeführte Tiere eben, die in diesem Land ungeheuren Schaden an der Natur anrichten und zu Recht als Ungeziefer gelten. Für Max und die Aborigines, für die er das Lager betreibt, sind die Tiere eine Quelle willkommener Zusatzeinnahmen. Wohlhabende Jäger können hier für viel Geld ein Tier schießen, sich den Kopf ihrer Beute als Trophäe präparieren lassen und zu Hause an die Wand hängen. Das Fleisch wird an die Aborigines verteilt. »So gewinnt jeder«, sagt Max. »Eine gute Geschichte für meine Zeitungen«, erwidere ich. Zu meiner großen Freude lädt Shane mich ein mitzukommen. Mein langersehntes Interview könne ich dann unterwegs machen.
    Am nächsten Morgen fahren wir in einem Allradfahrzeug in Richtung eines großen Feuchtgebietes. Am Steuer, von Kopf bis Fuß in einen braun-grünen Tarnanzug gekleidet, sitzt Charlie, ein professioneller Jäger, der sein Handwerk in Südafrika gelernt hat. »Ich habe letzte Woche ein Rudel schöner Schweine gesehen«, sagt er mit einem typisch südafrikanischen Slang. Zehntausende von weißen Südafrikanern sind nach dem Ende der Apartheit nach Australien gekommen. Unter ihnen viele Farmer, die in ihrer Heimat von den Schwarzen von ihren Grundstücken vertrieben worden waren. Die meisten, mit denen ich im Verlauf der Jahre Kontakt hatte, beklagten, dass sie in Australien keine billigen Arbeitskräfte halten können, wie das »zu Hause« der Fall war. Ohne Scham sprechen sie von den »guten Zeiten« der Rassentrennung. Der Berufsjäger Charlie dagegen ist anders. Er scheint stolz darauf zu sein, in einem Gebiet arbeiten zu können, das voll und ganz unter der Kontrolle der australischen Ureinwohner steht.
    Shane, sein jüngerer Sohn Carl und ich sitzen auf der Rückbank eines ehemaligen Armee-Jeeps. Ich habe stark den Eindruck, Carl sehe dem bevorstehenden Abenteuer mit deutlich weniger Enthusiasmus entgegen als sein Papa. Der Junge ist schmächtig gebaut für seine 16 Jahre, er wirkt schwächlich. Und er spricht kein Wort, als wir über die Savanne holpern. Er spricht eigentlich überhaupt nie. Seit gestern Abend habe ich ihn kein einziges Wort sagen hören.
    Bevor wir uns auf die Pirsch machen, will Charlie die Waffenkenntnisse seines jungen Weidmann-Lehrlings testen. Auf einer offenen Grasfläche halten wir an. Charlie packt zwei Gewehre aus. Das erste ist eine relativ kleine Waffe, Kaliber 22. Gut für Kleintiere, Kaninchen, vielleicht auch mal ein Känguru. »Zum Üben«, sagt er. Carl hat offenbar noch nie eine Waffe in der Hand gehalten. Mit seinen streichholzdünnen Armen hält er das Gewehr und drückt ab. Der Schuss hallt über die fast baumlose Savanne. Am Horizont steigen ein paar Vögel hoch. Sonst ist hier Totenstille. »So, und jetzt die richtige Waffe.« Ein schweres Kaliber. »Diese wilden Schweine sind sehr zähe Tiere und sehr aggressiv«, erklärt Charlie. »Da muss man sofort treffen, sonst kann es Ärger geben.« Vor ein paar Jahren sei im Northern Territory ein Jäger von einem Eber, den er zuvor angeschossen hatte, buchstäblich in Stücke gerissen worden. Charlie reicht Carl das Gewehr. Der Junge kann es kaum halten. Dann drückt er ab. Der Schuss ist laut wie ein Kanonenschlag am Nationalfeiertag. Die Wucht des Rückschlags ist derart stark, dass der Junge beinahe umfällt. Charlie kann ihn gerade noch halten, bevor dieser rückwärts ins Gras fällt. Carls Blick sagt alles. Der Teenager würde sich in diesem Moment wohl lieber alle Zähne ziehen lassen, als hier in dieser Einöde zu sein, unter dem gestrengen Blick seines Vaters.
    »Los geht’s«, sagt Charlie. Und wir gehen auf die Pirsch.
    Fünf Minuten sind wir unterwegs, da sehen wir im hohen Spinifex-Gras in etwa 100 Meter Distanz den Rücken eines massiven Ebers. »Das ist deine Chance«, flüstert Charlie seinem Schützling zu und reicht ihm

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