Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
zum Schämen ist, meint Alecia Simmonds. »Ignoranz dagegen ist cool.«
Wie absurd die Idee des Egalitarismus in Australien ist, zeigt sich nicht nur in der unfairen Diskrepanz der staatlichen Unterstützung von privaten und öffentlichen Schulen. Während die Zahl der Menschen, die unter dem Existenzminimum leben und sogar auf Unterstützung karitativer Organisationen angewiesen sind, steigt, wächst die Zahl von Multimilliardären. Australien hat unter den Industrieländern im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine der höchsten Zahlen an sogenannten »Ultrareichen«. Die reichste Frau nicht nur Australiens, sondern der Welt, Gina Rinehart, lebt in Westaustralien. Die Ausbeute aus ihren zahlreichen Minen – allen voran Eisenerz – hat ihr persönliches Vermögen dank des Rohstoffbooms in den letzten Jahren in stratosphärische Höhen schießen lassen: Mitte 2013 besaß sie rund elf Milliarden Euro.
KAPITEL 33
Einmal mehr überlasse ich Christine die ganze Verantwortung, für die Kinder, das Grundstück und Max. Es braucht schon eine ganz besondere Frau, die so etwas mitmacht. Zum Glück habe ich eine.
Auf nach Darwin, in die tropische Hitze des Nordens von Australien. Von dort geht es mit einem kleinen Flugzeug weiter nach Arnhemland. Es ist eines der größten Aboriginal-Gebiete des Landes, östlich des Kakadu-Nationalparks. Der Zugang ist strikt geregelt. Besucher dürfen nur mit besonderer Bewilligung in diese riesige Region, in der nur eine Handvoll Menschen lebt. Max Davidson ist einer von wenigen weißen Reiseveranstaltern, die von den Aboriginal-Ältesten die Erlaubnis haben, Touristen zu beherbergen. Der kräftig gebaute Mann mit dem schneeweißen Haar und dem kurzen Bart betreibt mitten in der Wildnis bei Mt. Borradaile ein Camp mit luxuriösen Zelten, Duschen und einer Feldküche. Die Anlage ist umgeben von spröden Eukalyptuswäldern, Sumpfgebieten und geheimnisvollen Felsformationen. Ich bin hier, um über Felsmalereien zu berichten. Unzählige Galerien mit Malereien von Kängurus, Fischen und mystischen Wesen zieren die Wände von Felshöhlen. Die Bilder waren über Tausende von Jahren von Aborigines gemalt worden, deren Nachkommen noch immer in diesem Gebiet leben, viele noch mehr oder weniger traditionell. Tausende Jahre alte Malereien zeigen tasmanische Tiger, ein fleischfressendes Beuteltier mit einem Fell mit Tigermuster, das damals auch auf dem Kontinent lebte, bevor im Jahr 1936 das letzte überlebende Exemplar im Zoo von Hobart starb.
Jüngere Felskunstwerke zeigen den ersten Kontakt mit Europäern, mit weißen Entdeckern und Siedlern. Große, gefährlich aussehende Gestalten mit schwarzen Hüten, langen weißen Tabakpfeifen aus Ton und mit Musketen. Die meisten Felsmalereien sind aber für Außenstehende und für Besucher nicht zugänglich. Es sind heilige Stätten, die selbst die Ureinwohner der Region ausschließlich zu besonderen Anlässen besuchen dürfen. Noch heute wird in Aboriginal-Gemeinden das unerlaubte Betreten solcher Höhlen schwer bestraft. In einigen sind die Gebeine von Verstorbenen gelagert. »Früher wurden die Knochen von Souvenirjägern gestohlen«, erzählt mir Max. Es ist fraglich, ob sich die Diebe an ihrer Beute freuen konnten. Die Legende sagt, dass dem, der die Gebeine der Ahnen ihrer Ruhestätte entnimmt oder sie auch nur sieht, schweres Leid ereilen soll.
Ich bin froh, wieder in der Wildnis zu sein. Nach Wochen des Herumtelefonierens, E-Mails schreiben und jeder Menge Ärger hatte ich genug. Schon seit langem versuche ich, mit Shane Wright ein Interview zu arrangieren – ohne Erfolg. Immer hatte die Presseabteilung seiner Firma eine neue Ausrede, weshalb der Topchef nicht könne. Shane Wright ist nicht sein richtiger Name. Ich musste ihm und seinen beiden Jungs andere Namen geben. Ich habe ihm versprochen, niemandem unsere Geschichte zu erzählen. Die Geschichte mit dem Schwein.
Shane war der Aufsichtsratsvorsitzende eines der größten Unternehmen Australiens. Bis heute ist er einer der führendsten und einflussreichsten Wirtschaftsleute des Landes, ein Multimillionär mit großem Einfluss auch in der Politik. Meine Frustration, dass ich in den letzten Wochen nicht an den Mann herangekommen bin, weicht hier, mitten in der Wildnis, einer Überraschung, wie ich sie mir in meinen wildesten Träumen nie vorgestellt hätte. Nach einem langen Tag bestelle ich mir in Max’ Zelt ein erstes Bier. Und da sitzt Shane, in Shorts, T-Shirt und Badeschlappen, und
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