Weit wie das Meer
Schließlich sah er sie an.
»Nein, ich bin nicht wegen Catherine hier draußen.« Seine Stimme war nur ein Flüstern. »Sondern deinetwegen.«
Und mit großer Zärtlichkeit zog er sie an sich und hielt sie schweigend umschlungen, bis der Morgen dämmerte.
9. Kapitel
»Was soll das heißen - du kannst heute nicht zu mir zum Mittagessen kommen? Das machen wir doch seit Jahren so - hast du das etwa vergessen?«
»Ich habe es nicht vergessen, Dad. Es geht aber heute einfach nicht. Nächste Woche holen wir’s nach, okay?«
Am anderen Ende der Leitung trommelte Jeb Blake mit den Fingern auf die Tischplatte.
»Ich werde das dumme Gefühl nicht los, daß du mir etwas verschweigst«, sagte er.
»Es gibt nichts zu verschweigen.«
»Wirklich nicht?«
»Bestimmt nicht.«
Theresa rief aus dem Badezimmer, sie brauche ein Handtuch. Garrett hielt die Sprechmuschel zu und rief zurück, er werde gleich kommen. Als er den Hörer wieder hochnahm, fragte sein Vater neugierig:
»Was war denn das?«
»Ach, nichts.«
Dann fiel der Groschen. »Das ist diese Theresa, oder?«
Garrett wußte genau, daß er seinem Vater nichts vormachen konnte. »Ja, Dad, richtig geraten.«
»Wurde auch verdammt Zeit«, sagte Jeb, spürbar zufrieden.
Garrett versuchte es herunterzuspielen. »Nun mach aber nicht so viel Aufhebens von der Geschichte… «
»Tu ich nicht - versprochen.«
»Danke.«
»Aber darf ich dich was fragen?«
»Sicher«, seufzte Garrett.
»Macht sie dich glücklich?«
Garrett zögerte mit der Antwort. »Ja, das tut sie«, sagte er schließlich.
»Wurde auch verdammt Zeit«, wiederholte Jeb lachend und legte auf. Garrett starrte noch eine Weile auf den Apparat.
»Ja, das tut sie wirklich«, flüsterte er leise lächelnd vor sich hin.
Wenig später kam Theresa, ausgeruht und frisch, aus dem Badezimmer. Vom Kaffeeduft angelockt, ging sie gleich in die Küche.
»Noch einmal guten Morgen«, sagte Garrett und küßte ihren Nacken.
»Auch dir noch einmal guten Morgen.«
»Tut mir leid, daß ich mich gestern nacht aus dem Schlafzimmer geschlichen habe.«
»Ist doch in Ordnung… Ich kann’s verstehen.«
»Wirklich?«
»Natürlich.«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Es war eine wundervolle Nacht für mich.«
»Für mich auch.« Er nahm zwei Kaffeetassen aus dem Schrank. »Was möchtest du unternehmen? Ich habe im Laden angerufen und gesagt, ich käme heute nicht.«
»Schlag was vor.«
»Wie wär’s, wenn ich dir Wilmington zeigen würde?«
»Können wir machen«, sagte sie, aber es klang nicht sehr überzeugend.
»Hast du einen besseren Vorschlag?«
»Was hältst du davon, heute einfach hierzubleiben?«
»Um was zu tun?«
»Ach, ich wüßte da schon das eine oder andere«, sagte sie verschmitzt. »Das heißt, wenn du nichts dagegen hast.«
»Ich wüßte nicht, was ich dagegen haben sollte«, schmunzelte er.
In den nächsten vier Tagen waren Theresa und Garrett unzertrennlich. Er überließ Ian die Aufsicht über den Laden und erlaubte ihm sogar, den Tauchkurs am Samstag abzuhalten, was vorher noch nie vorgekommen war. Zweimal ging Garrett mit Theresa segeln, und beim zweiten Mal blieben sie die ganze Nacht draußen auf dem Meer. Gewiegt von der sanften Dünung des Atlantiks, lagen sie eng umschlungen in der Kabine. Theresa bat ihn, ihr noch mehr Abenteuergeschichten von frühen Seefahrern zu erzählen, und streichelte ihm dabei die ganze Zeit liebevoll übers Haar.
Was sie nicht wußte, war, daß Garrett, wie in ihrer ersten gemeinsamen Nacht, aufstand, als sie schon schlief, und auf dem Deck auf- und ablief. Er dachte daran, daß Theresa ihn bald verlassen würde, und dabei stiegen Erinnerungen an andere Zeiten in ihm hoch.
»Ich finde, du solltest nicht fahren«, sagte Garrett und sah Catherine besorgt an.
Den Koffer in der Hand stand sie an der Eingangstür. »Ach, Garrett, wir haben das schon so oft besprochen; ich bin doch nur ein paar Tage fort.«
»Aber du bist in letzter Zeit so verändert.«
Catherine rang die Hände. »Wie oft muß ich denn noch sagen, daß alles in Ordnung ist? Meine Schwester braucht mich - du kennst sie doch. Sie macht sich Sorgen wegen der Hochzeit, und Mom ist ihr keine Hilfe.«
»Aber ich brauche dich auch.«
»Garrett - nur weil du den ganzen Tag im Laden sein mußt, brauche ich doch nicht zu bleiben. Wir sind schließlich nicht aneinandergekettet.«
Es war, als hätte sie ihm einen Schlag versetzt. Garrett wich unwillkürlich
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