Weit wie das Meer
ringend.
»Ich verstehe. Ich verstehe, was für ein Mensch du bist!«
Sie kniff die Augen zusammen. »Sei nicht so.«
»Wie soll ich nicht sein? Wütend? Verletzt? Ich habe gerade herausgefunden, daß die ganze Sache nur eine Farce war! Soll ich da etwa einen Freudentanz aufführen?«
»Halt den Mund!« schrie sie zurück, plötzlich außerstande, ihren Zorn noch länger zu unterdrücken.
Er starrte sie fassungslos an. Dann hielt er erneut die Briefe hoch und sprach mit heiserer Stimme:
»Du meinst, verstanden zu haben, was Catherine und mich verband, aber du hast nichts begriffen. Wie viele Briefe du auch gelesen hast, wie gut du mich auch zu kennen glaubst - du wirst es nie verstehen. Was zwischen ihr und mir war, war wirklich. Es war wirklich, und sie war wirklich…«
Er hielt inne, um seine Gedanken zu ordnen, und sah sie an, als wäre sie eine Fremde. Und dann sagte er etwas, das verletzender war als alles Vorangegangene.
»Was zwischen dir und mir war, kommt niemals an das heran, was zwischen Catherine und mir war.«
Statt auf eine Antwort zu warten, ging er wortlos an ihr vorbei und warf alles, was ihm gehörte, in seinen Koffer. Einen Augenblick dachte sie daran, ihn zurückzuhalten, doch sie brachte kein Wort hervor.
Als er den Koffer geschlossen hatte, hielt er noch einmal die Briefe hoch. »Die gehören mir, und ich nehme sie mit!«
»Warum gehst du?« fragte sie verzweifelt.
Er starrte sie an.
»Ich weiß nicht einmal, wer du bist.«
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ging.
12. Kapitel
Nachdem er Theresas Wohnung verlassen hatte, nahm Garrett ein Taxi zum Flughafen. Wohin hätte er auch sonst gehen sollen? Unglücklicherweise bekam er keinen Flug mehr nach Wilmington und mußte die restliche Nacht im Flughafengebäude verbringen. Noch immer zornerfüllt und außerstande, ein Auge zuzutun, lief er stundenlang in der Halle auf und ab.
Am nächsten Morgen nahm er den ersten Flug und war gegen elf zu Hause. Er legte sich hin und versuchte zu schlafen, doch die Ereignisse des letzten Abends ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Schließlich gab er auf, duschte, setzte sich auf sein Bett und betrachtete Catherines Foto. Nach einer Weile nahm er es mit ins Wohnzimmer und öffnete die Briefe, die auf dem Tisch lagen. Gestern, in Theresas Wohnung, war er zu aufgewühlt gewesen, um sich darauf zu konzentrieren, jetzt aber, mit Catherines Bild vor sich, begann er, sie erneut zu lesen, und glaubte dabei, ihre Gegenwart zu spüren.
»He, ich dachte schon, du hättest unsere Verabredung vergessen«, rief er, als Catherine mit einem Einkaufskorb über den Steg zum Boot gelaufen kam.
Catherine lächelte. »Ich hab’s nicht vergessen, ich hatte nur noch etwas zu erledigen.«
»Was denn?«
»Ich war beim Arzt.«
Er nahm ihr den Korb ab und stellte ihn zur Seite.
»Ist alles in Ordnung? Du hast dich in letzter Zeit nicht wohl gefühlt…«
»Alles okay«, unterbrach sie ihn sanft, »aber segeln sollte ich trotzdem nicht.«
»Was fehlt dir denn?«
Catherine zog lächelnd ein Päckchen aus dem Korb und begann es zu öffnen.
»Mach die Augen zu«, sagte sie, »dann erzähl ich dir alles.«
Garrett tat, wie ihm geheißen, und hörte Papier rascheln. »So, jetzt kannst du die Augen wieder aufmachen.«
Catherine hielt ein Strampelhöschen in die Höhe.
»Was ist das?« fragte er verständnislos.
Sie strahlte ihn an. »Ich bin schwanger.«
»Schwanger?«
»Im zweiten Monat. Es muß passiert sein, als wir das letzte Mal segeln waren.«
Zögernd ergriff Garrett das Höschen, betrachtete es und schloß Catherine dann in die Arme. »Ich kann’s gar nicht glauben…«
»Es ist wahr.«
Ein verblüfftes Lächeln spielte um seinen Mund, während er langsam zu begreifen begann. »Du bist schwanger.«
Catherine schloß die Augen und flüsterte. »Und du wirst Vater.«
Ein Knarren der Tür riß Garrett aus seinen Erinnerungen. Sein Vater steckte den Kopf zur Tür hinein.
»Ich hab deinen Wagen vor dem Haus stehen sehen. Und da ich dich erst heute abend zurückerwartet habe, wollte ich nachschauen, ob alles in Ordnung ist.«
Als Garrett nicht antwortete, trat sein Vater ein und sah sofort Catherines Foto auf dem Tisch.
»Was ist, Sohn?« fragte er behutsam.
Und nun berichtete Garrett seinem Vater alles - von seinen jahrelangen Träumen, von seinen Briefen, die er als Flaschenpost ins Meer geworfen hatte, und schließlich vom gestrigen Streit. Nichts ließ er aus. Als er geendet
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