Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
ihnen Wein ein. » Wie geht es Jeremy?«
» Gut.« Schuldig im Sinne der Anklage, dachte sie. Jeremy durfte nie erfahren, was passiert war, nie. » Mum würde sich überall wohlfühlen, Dad. Hast du jemals daran gedacht, nach Wangallon zurückzukehren?« Sarah folgte ihrem Vater in die Küche und setzte sich auf einen der hohen Hocker an der Küchentheke. Er warf ihr einen unbehaglichen Blick zu. » Ich dachte, dass ihr wegen Mums Gesundheitszustand an die Küste gezogen wärt, und jetzt, wo ich gesehen habe, wie es ihr geht… na ja, du wärst zu Hause bestimmt besser aufgehoben. Du und Großvater, ihr könntet…«
Ronald schlug so heftig mit der Faust auf die Küchentheke, dass die Muscheln, die lose auf dem Fuß einer kleinen Lampe lagen, hochsprangen. Sarah hielt sich mit beiden Händen an der Kante fest. Es war dumm gewesen, ihren Großvater zu erwähnen, sie wusste doch, dass die beiden kaum miteinander redeten. Und außerdem hätte sie sich denken können, dass ihr Vater unter Stress stand. Schließlich hatte sie ja ihre Mutter gesehen.
» Sarah, ich habe in meinem Leben einige Fehler gemacht, und mein Vater weiß das.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. » Überlass mein Leben mir.«
» Aber Dad, du schuldest Mum doch nichts. Wenn überhaupt etwas, dann…«
» Was?«
Die Jahre schmolzen dahin, und es war so, als ob sie alle wieder in der Küche in Wangallon säßen; das Radio spielte im Hintergrund, Cameron verdrehte die Augen, und ihre Mutter drohte ihr, mit ihr bis zum Ende der Schulzeit nach Sydney zu ziehen.
» Dad, findest du nicht, es ist langsam Zeit, dass du einsiehst, wie sehr Mum dir und mir unrecht getan hat?«
Ronald ließ resigniert die Schultern sinken. Die Erschöpfung, die ihn begleitete, seit er hier an die Küste gezogen war, machte ihn gereizt. Er rieb sich über die Augen. Dieses Gespräch wollte er nicht führen, und schon gar nicht mit Sarah. Seine Tochter erwies Sue keinen Respekt.
» Es war schwer für mich, weißt du.« Sarah drängte die Tränen zurück. Es überraschte sie, dass das Gesicht ihres Vaters sogleichmütig wirkte. » Hättest du es mir denn je gesagt?«, fragte sie.
Ronald überlegte. » Nein. Ich sah keinen Sinn darin. Na ja, jetzt ist es sowieso Vergangenheit.«
» Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«
» Himmel, Sarah, was soll ich denn deiner Meinung nach dazu sagen? Ob ich schockiert und erschüttert war? Ob ich gewusst habe, dass Cameron nicht mein Sohn war? Ja, klar, das habe ich sofort gewusst. Ob ich deiner Mutter Vorwürfe gemacht habe? Nein. Wir hätten nie heiraten sollen. Sie war wie eine zarte, voll erblühte Blume, als sie nach Wangallon kam, und dann ist sie von Tag zu Tag mehr verblüht. Ich konnte ihr nicht geben, was sie wollte, und nach einem halben Jahr wussten wir beide, dass wir nicht so überstürzt hätten heiraten dürfen. Dein Großvater hat mich gewarnt, aber ich war auch nicht vollkommen, Sarah, und deshalb habe ich deinen Bruder als meinen Sohn akzeptiert.«
» Wer war er?«
Jahrelang hatte Sarah geschwankt zwischen jemandem, der aussah wie Rudolfo Valentino, jemand, der es wert war, dass eine Frau ihr Herz an ihn verlor, und einem gemeinen Eindringling, der ihr sowohl ihre Mutter als auch ihren Bruder gestohlen hatte.
» Ein Wolleinkäufer.« Ronald zuckte mit den Schultern. » Sue sagte, dass sie ihn lieben würde, und ich hätte sie gehen lassen, aber ein paar Wochen später war er tot, ums Leben gekommen bei einem Raubüberfall.«
» Also seid ihr zusammengeblieben.«
» Das war 1961 , Sarah. Außerdem schien es das Richtige zu sein, und wie gesagt, auch mein Leben war bei Weitem nicht vollkommen.«
» Ich verstehe es nicht. Warum hast du Wangallon für Mum verlassen? Warum willst du nicht zurückkommen und wieder mitarbeiten? Du könntest das Management übernehmen.« Sarah sank auf ihren Hocker zurück. » Warum willst du ausgerechnet hier sein?«
Sein Blick war hart. » Wangallon hat mir zu viel genommen. Diese Zeit ist vorbei.«
Nach einem ruhigen Abendessen mit gegrilltem Steak und grünem Salat erzählte Sarah ihrem Vater von den Bedingungen, unter denen sie Wangallon erben sollte. Ronald hörte mit ausdrucksloser Miene zu und blickte nur einmal ins Nebenzimmer, wo Sue vor dem Fernseher saß.
» Du hast hoffentlich abgelehnt. Wirklich, Angus ist ein verdammter alter Narr.« Er schenkte sich ein Glas Shiraz ein. Du lebst und arbeitest in Sydney und bist in einer ernsthaften Beziehung. Es ist ein absolut
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