Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
gefunden, Mr Gordon.«
Mrs Cudlow folgte ihm in Roses Zimmer.
Das Gesicht seiner Frau war schweißüberströmt, doch im Zimmer war es kühl und dunkel, und es duftete nach dem Lavendelwasser, das sie so liebte.
» Rose, was bekümmert dich?« Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante. » Antwortest du mir bitte?« Ihm ging durch den Kopf, dass er nur in diesem Zimmer gewesen war, um ein Neugeborenes in Empfang zu nehmen oder seine ehelichen Pflichten zu vollziehen. Sie hatten nie einfach nur hier gesessen und sich über die Ereignisse des Tages unterhalten, über ihre Kinder gesprochen oder miteinander gelacht. Es schien, als ob sie keinerlei glückliche Erinnerungen miteinander teilten, wenigstens nicht genügend, um die schlechten Zeiten vergessen zu machen.
Mrs Cudlow warf einen vielsagenden Blick auf das gefaltete Blatt Papier auf dem Nachttisch und verließ das Zimmer.
Rose hustete leise in der Dunkelheit. » Ich weiß von dieser Frau, von dieser Miss Whittaker. Ich nehme an, unsere Ehe ist dann wohl vorbei.«
» Claire? Du weißt von Claire?« Er griff nach dem Brief und las ihn stirnrunzelnd. Dass Rose von Claires Existenz erfahren könnte, wäre ihm nie in den Sinn gekommen.
» Ein hübscher Name. Du möchtest, dass sie deine Frau wird.«
Er hätte es besser wissen müssen. Eine solche Aufgabe vertraute man nicht jemandem außerhalb seines engsten Kreises an. » Ich bin ihr noch nie begegnet, und sie weiß nicht, wer ich bin«, erwiderte er aufrichtig.
» Das«, sagte Rose mit scharfer Stimme, » ist wohl die übelste aller Lügen.«
Hamish zerriss Abdullahs Brief und legte ihn wieder auf den Nachttisch. » Du bist wirklich nicht in der Position, ein Urteil abzugeben, Rose. Gute Nacht.« Er drehte die Lampe herunter, so dass nur noch ein schwacher Lichtschein blieb, und ließ sie im Halbdunkel zurück.
Mitten in der Nacht wachte Rose von hastigen Schritten und dem Schlagen von Türen auf. Lethargisch griff sie nach ihrem Schal. Sie befürchtete das Schlimmste, ein Feuer vielleicht oder einen Angriff der Aborigines. Steh auf, befahl sie sich, und ihr abgemagerter Körper gehorchte.
» Mrs Gordon, Mrs Gordon?« Mrs Cudlow klopfte an die Tür und kam ins Zimmer gelaufen.
» Was ist los, Mrs Cudlow? Es ist mitten in der Nacht.«
Die Kinderfrau hielt eine Kerze in der Hand, und die Flamme warf flackernde Schatten auf ihr faltiges Gesicht. » Die Kinder. Sie sind krank.«
Sommer, 1987
Tongue, Nord-Schottland
Sie waren stetig aufwärts gestiegen. Die Zeit verging schnell, während Jim von seinem Urgroßvater erzählte, der bei seinem letzten Treibeinsatz verschwunden war. Sarah lauschte aufmerksam, fasziniert von der Geschichte seiner Familie und seinem melodischen schottischen Akzent.
» Niemand wusste, ob er die Tiere noch verkauft hat oder nicht. Ich meine ja, er ist irgendwo auf der Straße umgebracht worden.«
» Das ist ja schrecklich!«, rief Sarah aus.
» Er war Bauer, Sarah Gordon, hatte kein Geld und nichts zu verlieren. Und doch hat er der Familie meines Vaters so viel hinterlassen, dass sie auf dem Land bleiben konnten.« Sie kamen an struppigen Highland-Rindern vorbei. Mit ihrem tief dunkelroten Fell erinnerten sie Sarah an Wasserbüffel.
» Mein Großonkel Luke, der Halbbruder meines Großvaters, war auch Viehtreiber. Er starb während der Arbeit, die er sehr liebte. Das war bei deinem Urgroßvater bestimmt genauso.«
» Ja, wahrscheinlich. Jetzt ist es nicht mehr weit.« Jim lief voraus und zog sie nach oben. Sarah zuckte zusammen, als ein scharfer Schmerz durch ihre Rippen fuhr. Die Blackface-Schafe, die das niedrige Heidekraut kauten, rührten sich nicht, als sie an ihnen vorbeikamen. » Hässliche Viecher«, sagte Sarah.
» Sagst du immer, was du denkst?«, rief er hinter ihr her.
» Normalerweise ja«, erwiderte sie und lachte. » Was baut deine Familie an?«
» Hafer und Kartoffeln. Den Überschuss verkaufen wir auf dem Markt, und außerdem hat meine Mutter noch einen schönen Gemüsegarten.« Der olivgrüne Pullover, den er trug, betonte seine helle Haut und seine Sommersprossen.
» Wir steigern die Verkaufszahlen von Schafen und Rindern jedes Jahr.«
Sie waren in den letzten Minuten zwar ständig bergauf gegangen, aber Sarah war der Anstieg nicht besonders steil vorgekommen, so dass sie jetzt von der spektakulären Aussicht, die sich ihr bot, überrascht war.
» Das ist wundervoll.« Die Sonne wärmte ihr den Rücken, als sie über die zahlreichen kleinen Seen
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