Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Frau erklärt, sie solle sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, aber sie antwortete höflich: » Er ist auch ein Freund. Außerdem kenne ich ihn erst seit vier Tagen.«
» Vier Tage ist lang genug.« Mrs Jamieson wies mit dem Kinn auf das Stück Papier, das aus Sarahs Hosentasche ragte. » Hmm, haben Sie mal darüber nachgedacht, wie Sie für diesen jungen Mann empfinden, und wie Jim Macken für Sie empfindet? Herzen kann man nur schwer wieder heilen, Mädchen. Und man sollte nie einen anderen benutzen, um sich selbst zu helfen.«
Sarah blinzelte verwirrt. Wie kam sie dazu, nur wegen eines Telegramms mit einer Frau, die sie kaum kannte, über ihr Privatleben zu reden? Mrs Jamieson blickte sie mit gerunzelter Stirn an, als erwarte sie eine Antwort. Zum Glück klingelte in diesem Moment das Telefon. Sarah atmete erleichtert auf.
Mrs Jamieson hielt ihr den Hörer hin. » Sie werden jetzt verbunden. Und übrigens, ich erwarte Anstand in meinem Haus.«
Sarah kam sich vor wie ein ungezogenes Kind. Was hatte sie bloß getan, um Mrs Jamiesons Unwillen zu erregen?
» Sarah, wie geht es dir? Wo bist du?«
» Hi, Dad. Mir geht es gut. Ich stecke hier in Tongue mindestens noch für ein paar Tage fest. Hier ist meine Nummer…« Sarah gab die Nummer von Mrs Jamieson durch.
» Tongue? Sag mal, Sarah, ist…« Seine Stimme klang irgendwie fragend.
» Was ist los, Dad? Ist alles okay?«
» Ja, mir geht es gut. Ich war auch schon mal dort.«
» Ich weiß, ich habe einen Freund von dir getroffen. Na ja, einen Bekannten eher. Eliot Andrews.«
Sarah hörte ein Keuchen hinter sich. Mrs Jamieson wischte den kleinen Esstisch ab, als ob ihr Leben davon abhinge.
» Bist du noch da? Na ja, ich weiß nicht genau, ob ich genauso begeistert von dem Ort bin wie du, Dad. Allerdings sind die meisten Leute hier ziemlich freundlich.« Sarah warf einen Blick auf Mrs Jamieson, die sich wieder an die Küchentür zurückgezogen hatte.
» Wann fährst du weiter?«, fragte ihr Vater. » Es gibt viel mehr interessante Dinge in Schottland zu sehen.«
» Ich warte noch auf meinen Ersatz-Leihwagen«, erwiderte Sarah.
» Hast du schon mit Jeremy gesprochen?«
» Nein, Dad, und das werde ich auch nicht. Wir haben uns getrennt.« Sarah hörte das Rumpeln von Jims altem Truck vor dem Haus. » Ich rufe dich bald wieder an. Tschüss, Dad.« Sarah legte auf.
Mrs Jamieson war weg.
Sarah nahm die Einladung zum Abendessen bei den Mackens dankbar an. Es waren wirklich nette Leute. Ihr Cottage sah von außen so ähnlich aus wie das von Mrs Jamieson. Es lag ebenfalls am Fuß eines Hügels. Aus dem Schornstein stieg Rauch auf. Aber damit endete die Ähnlichkeit auch schon. Die gepflegte Rasenfläche vor dem Haus erstreckte sich bis zum Ufer eines Lochs, hinter dem das flache Land erst nach und nach wieder in eine hügelige Landschaft überging. Das Haus lag nach Osten, und den Hügel hinauf verlief eine niedrige Steinmauer.
» Ich hoffe, du magst Haggis«, sagte Jim, als sie zur Haustür gingen.
Sarah verlangsamte ihre Schritte. » Was?« Die Aussicht auf gefüllten Schafsmagen erschien ihr nicht allzu verlockend.
Jim ergriff sie am Arm und zog sie weiter. » Mit Rüben und Kartoffeln.«
» Rüben?« Sarah lächelte gequält.
Jims Eltern hießen sie willkommen, und die vier setzten sich an einen Holztisch, um Suppe zu essen. Der Raum diente als Küche, Wohnzimmer und Esszimmer zugleich. Er war gemütlich und schlicht eingerichtet, mit zwei runden Teppichen, Büchern und Fotos auf dem Kaminsims. Die Wände waren weiß getüncht, so dass der Raum trotz der dunklen Möbel hell wirkte.
» Wir haben die Wand eingerissen, als Jim noch ein kleiner Junge war«, sagte Mr Macken.
» Wir wohnen hier zu dritt«, fügte Mrs Macken hinzu.
» Was macht das Haggis, Mum?«
Sarah fing den Blick auf, den Mutter und Sohn wechselten. Mrs Macken wischte sich die Hände an der Schürze ab und trat an den Herd.
» Jim hat mir erzählt, dass Ihre Vorfahren Pioniere waren, Sarah?«, sagte sie.
» Tatsächlich?«, unterbrach Mr Macken. » Hmm, meine Familie lebt schon seit hundertfünfzig Jahren in diesem Cottage. Allerdings kenne ich die genauen Daten nicht, weil es keine Unterlagen gibt. Es ist neu aufgebaut worden, neu gedeckt, abgebrannt, alles, was man sich so vorstellen kann, aber wir sind immer noch hier.« Er klang defensiv. » Und wir werden auch noch ein bisschen länger hierbleiben. Hier gibt es etwa achtzehntausend Bauernhöfe, jeder mit rund
Weitere Kostenlose Bücher