Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
gleich in Streitigkeiten ausarten.«
» Meinungsverschiedenheiten, mein Lieber«, korrigierte Mrs Macken ihren Mann vorsichtig. » Jim hat viele Vorschläge, wenn es um Verbesserungen geht«, fügte sie an Sarah gewandt hinzu. » Und er ist sehr geschickt darin.«
Sarah hatte das höchst unangenehme Gefühl, dass dieser letzte Kommentar direkt an sie gerichtet war.
» Als die Engländer uns besetzt haben, wurden wir zuerst wie Sklaven gehalten, und allzu viel hat sich seitdem nicht geändert.« Jim trank seinen Whisky aus. » Das Land zu bewirtschaften, steckt uns im Blut, Sarah. Früher haben wir im Gegenzug dafür Militärdienst geleistet und vielleicht einen Teil der Ernte abgegeben. Aber die Landbesitzer haben viele von uns von ihrem Land vertrieben, um größere Rinder- und Schafherden halten zu können.«
» Du willst doch nichts anderes, Junge.« Robert warf ihm einen finsteren Blick zu.
Jim hörte ihm gar nicht zu. » Ich will Gleichheit. Ich will eine Chance, um unseren Betrieb zu vergrößern. Hier gehören wir doch zu den Armen. Viele von uns versuchen immer noch, sich mit Fischen etwas dazuzuverdienen, aber das hat schon vor hundert Jahren nicht viel eingebracht.«
» Aber die Regierung muss doch bestimmt…«, versuchte Sarah einzuwerfen.
» Oh, sicher, es hat eine Menge Gesetze gegeben. Zumindest ist es jetzt für Pächter leichter, ihre Höfe zu erwerben, und wir haben auch das Recht, sie zu vererben.« Jims Stimme war sarkastisch. » Manche Höfe sind in landwirtschaftlicher Hinsicht existenzfähig, aber manche können ihre Besitzer nicht ernähren, und deshalb müssen sie noch etwas anderes dazu machen.«
» Wie B&B zum Beispiel?«, fragte Sarah. Sie dachte an die zahlreichen Cottages auf dem langen Weg nach Norden.
» Genau.« Jim wandte sich an seinen Vater. » So ein Leben will ich nicht. Ich will mehr Land kaufen. Sieh dich doch mal um: Die Leute haben kaum genug zum Leben. Hier siehst du nur verrostete Maschinen, klapprige Fahrzeuge, streunende Hunde und Ziegen, die an Zäunen festgebunden sind.«
» Aber Jim«, warf Mrs Macken ein, » was ist denn mit den gut genährten Rindern und der Torfproduktion?«
» Das einfache Leben«, sagte Jim sarkastisch. » Ich will nicht arm sein, und ganz bestimmt will ich mich noch nicht aufs Altenteil zurückziehen.« Trotzig blickte er in die Runde. » Ich möchte gerne an Lord Andrews verkaufen, Sarah«, erklärte er, » und dann im Süden neues Land erwerben.«
» Ich werde nie verkaufen«, verkündete Mr Macken. Es klang endgültig. » Und ich will auch nichts kaufen. Du bist ein kleiner Junge mit mächtig großen Ideen. Gute Nacht, Mädchen«, rief er Sarah zu und ging an die schmale Treppe, die zu den oberen Räumen führte.
» Ich dachte, du liebst Tongue«, sagte Sarah leise zu Jim.
Jim wartete, bis sein Vater den Raum verlassen hatte und seine schweren Schritte auf der Treppe polterten. » Oh, natürlich liebe ich den Norden, aber arm zu sein und niemals irgendwelche Chancen zu haben, nun, das ist nicht patriotisch, sondern dumm.«
» Nun, ich glaube, es ist Zeit, schlafen zu gehen.« Mrs Macken erhob sich.
» Mum, ich dachte, Sarah und ich könnten uns noch ein bisschen unterhalten.« Jim setzte sich neben Sarah auf die Couch.
» Ich bin sicher, dass Sarah gerne ins Bett möchte, Jim. Schließlich ist sie nur zu Besuch.«
Mrs Macken wandte sich zum Gehen. Sarah reagierte auf den Wink mit dem Zaunpfahl und stand auf. » Absolut. Danke für das schöne Abendessen.«
» Kommen Sie gut nach Hause.«
Irgendwie hörte es sich so an, als ob Jims Mutter damit Australien meinte und nicht Mrs Jamiesons Haus.
» Willst du schon nach Hause?« Jim klang enttäuscht, als er sie zur Tür brachte.
» Ich bin müde.« Sarah versuchte, beiläufig zu klingen. Offensichtlich hatte Mrs Macken keine besonders hohe Meinung von ihr.
Schweigend fuhren sie zu Mrs Jamiesons B&B zurück.
» Und, Sarah…«, begann Jim, als sie vor dem Haus hielten. Seine Stimme klang gepresst. » Was wird jetzt? Fährst du einfach wieder nach Hause?«
Seien Worte kamen unerwartet. » Jim, wir kennen uns doch erst seit ein paar Tagen.«
» Ich weiß, ich weiß. Ich habe nur das Gefühl, dich schon mein ganzes Leben lang zu kennen.«
Sarah blickte ihm in die dunkelblauen Augen und spürte, wie ihre Vergangenheit sie in eine ungewisse Zukunft zog. » Ich möchte keine Beziehung, Jim. Es tut mir leid.« Sie stieg aus und schloss leise die Tür hinter sich.
In jener Nacht
Weitere Kostenlose Bücher