Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
benehmen sich nicht so wie du. Ich kann nicht mehr hocherhobenen Hauptes über die Straße gehen.«
Hamish dachte daran, Lornas Prostitution zu erwähnen. Ihre Mutter hatte ja schließlich auch etwas zu verheimlichen. Allerdings bezweifelte er, dass Rose auch nur die leiseste Ahnung von Lornas Nebentätigkeiten hatte. » Du hast dich von meinem äußeren Eindruck täuschen lassen, genau wie bei Sir Malcolm Wiley.«
» Was soll das denn heißen?«
» Dass du geglaubt hast, er sei ein anständiger, ehrenhafter Mann.« Hamish schmunzelte. Dieses neue Land war voller Heuchler und krummer Geschäfte.
» Das ist er auch«, erwiderte Rose.
» Ich wusste gar nicht, dass du so naiv bist.«
» Ich liebe dich nicht.« Jetzt war es heraus. Erleichtert stieß sie die Luft aus.
» Wir haben geheiratet, weil wir uns mochten.«
» Ich habe mich geirrt.«
» Die Leute heiraten aus den unterschiedlichsten Gründen, Rose«, sagte Hamish so zärtlich, wie er konnte. » Du hast mich geheiratet, weil du mich mochtest und wusstest, dass ich für dich sorgen kann. Du hast mich geheiratet, weil du angenommen hast, ich könnte dich mit den materiellen Besitztümern ausstatten, die du in der Anstellung bei Sir Malcolm schätzen gelernt hast. Habe ich recht?«
» Ich dachte, du wärst anders«, erwiderte Rose mürrisch.
» Du besitzt Geld und Stellung. Reichtum ist Stellung. Und jetzt beklagst du dich darüber, wie dieser Reichtum erworben worden ist?«
» Du liebst mich nicht.«
Hamish berührte ihre Wange. In der Schwangerschaft war ihr Gesicht weicher und reifer geworden. » Ich mag dich.« In den letzten Monaten war seine Zuneigung zu ihr gewachsen, und es tat ihm leid, dass er so häufig abwesend war. » Wenn das Kind erst einmal auf der Welt ist, wirst du dich besser fühlen.« Aber das Wort Liebe nahm er nicht in den Mund. Das hatte er bisher nur einmal benutzt, vor langer Zeit in einem anderen Land. » Willst du nicht ein wenig herunterkommen, Rose? Ich muss morgen früh wieder weg.«
Er wollte ihr doch seine Neuigkeiten mitteilen. Endlich gehörte ihm ein prächtiges Anwesen, etwa fünfhundert Meilen nördlich von Ridge Gully. Das ursprüngliche Farmgebäude war bei einem Feuer zerstört worden, und Hamish dachte, dass es Rose vielleicht Spaß machen würde, mit ihm die Pläne für das neue Haus zu besprechen. Frauen hatten doch ein Talent für Inneneinrichtung, und er hoffte, es würde ihr gefallen, wenn sie Möbel und Tapeten aussuchen könnte. » Bitte, komm herunter. Ich habe Neuigkeiten.«
Sie blickte ihn nur anklagend an. » Geh weg.«
Hamish dachte an die Brosche in seiner Tasche und verließ leise das Zimmer.
Unten nahm er die Karaffe und die Gläser von der Zeichnung von Wangallon und rollte das Papier wieder auf. Er hatte jedes Detail im Kopf– die dicken, weiß verputzten Lehmwände, das große Esszimmer und Wohnzimmer, die Schlafzimmer, ein Zimmer für Lee hinten im Haus, in der Nähe des Gemüsegartens, und natürlich eine getrennte Küche mit einem überdachten Weg zum Haupthaus. Sein Haus würde nicht niederbrennen wegen eines unbeaufsichtigten Kochfeuers. Er faltete das Papier zusammen und warf es dann ins Feuer. Anscheinend brauchte Rose keine Kopie.
Rose lauschte seinen Schritten unten. Wahrscheinlich musste sie sich nur daran gewöhnen, dass sie jetzt eine Gordon war. Wenigstens bekam sie ein Kind, für das sie sorgen konnte, und sie hatte auch Geld, so dass sie sich in dieser Beziehung keine Gedanken zu machen brauchte. Ihr Ehemann jedoch, nun ja, das war er nur dem Namen nach. » Es sieht so aus, als ob wir zwei alleine bleiben, Kleines.« Wie zur Bestätigung trat das Kind sie heftig. Die Schmerzen ließen nicht nach bis zum Nachmittag des nächsten Tages, und dann war es nicht ein Baby, sondern zwei, die aus Leibeskräften brüllten.
Frühling, 1983
West Wangallon
» Cameron, lass uns ausreiten.«
» Du kannst alleine ausreiten, Sarah. Du bist schließlich alt genug, um nicht ständig einen Begleiter zu brauchen.« Sue lächelte verkniffen.
Cameron aß einen Bissen Toast. » Brauchst du mich, Dad?«
Sarah wandte sich an ihren Vater und blickte ihn an. Sue verschränkte verärgert die Arme. Ihre Eltern hatten sich schon wieder gestritten. Dieses Mal war es um Politik gegangen. Cameron trank einen Schluck Kaffee, und Sarah widmete sich wieder ihrem Tee mit Milch. Sie wollte das Flussbett im Morgenlicht fotografieren. Vielleicht sollte sie tatsächlich alleine ausreiten.
» Ihr könnt
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