Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
zusammen ausreiten«, sagte Ronald ruhig. Dann lauschte er wieder den Morgennachrichten im Radio und schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein.
» Ronald?« Sue klang aufgebracht. Sie legte ihrem Sohn die Hand auf die Schulter. Auf ihrer Stirn standen kleine Schweißperlen. » Er ist völlig übermüdet.«
Cameron verdrehte die Augen, und Sarah versuchte, ein Kichern zu unterdrücken. Ihre Mutter benahm sich zunehmend merkwürdig.
» Ich will nicht, dass mein Sohn ausreitet.« Sie ergriff eine Tasse und ließ sie einfach zu Boden fallen. Cameron und Sarah blieb der Mund offen stehen. Sie starrten von ihrer Mutter zu den weißen Porzellanscherben auf dem Linoleumboden.
» Sue, bitte. Er ist erwachsen, kein kleiner Junge mehr. Wenn er Zeit hat, um mit Sarah auszureiten, dann ist das seine Entscheidung.« Ronalds Stimme klang gleichmütig. » Vielleicht möchte Anthony ja auch mit«, fügte er an seine Kinder gewandt hinzu.
Sarah nickte. Sie bewunderte ihren Vater für seine Gelassenheit.
» Der Cowboy braucht nun wirklich nicht an allem teilzunehmen. Ich habe sowieso schon daran gedacht, dass Sarah den Rest des Schuljahres in Sydney verbringen soll. In zwei Monaten ist sie mit der Highschool fertig. Wir könnten beide dorthin ziehen. Ich werde mit Angus sprechen, ob wir in die Wohnung dort ziehen können.«
» Aber sie ist doch vermietet, Mum«, wandte Sarah ein.
» Da hat Sarah recht, Sue. Du kannst die Leute ja nicht einfach hinauswerfen.« Langsam merkte man Ronald doch eine gewisse Ungeduld an.
» Ach nein?« Sue blickte ihn herausfordernd an, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. » Du hattest genug Kurse in Buchführung, mein Mädchen. Zeit, ein wenig Disziplin zu lernen.«
» Vergiss es, Mutter. Ich gehe nicht nach Sydney.« Sarah stand so abrupt auf, dass ihr Stuhl umfiel.
» Komm sofort zurück, Fräulein!«
Sarah zog ihre Reitstiefel an und rannte nach draußen. Sie hörte, wie Cameron hinter ihr herrief, sie solle warten, aber sie blieb nicht stehen. Sie konnte Wangallon einfach nicht verlassen, vor allem nicht zusammen mit ihrer Mutter.
Anthony beobachtete Sarah und Cameron, die in Richtung des Flussbetts ritten. Wenn sie erst einmal an den Bäumen angekommen waren, würden sie nicht mehr zu sehen sein. Er wünschte, er könnte mit ihnen zusammen sein, aber er musste in die Stadt, um ein paar Ersatzteile für den John-Deere-Traktor zu kaufen. Unglücklicherweise wollte er gerade an die Hintertür klopfen, als drinnen der Streit losging, und als Mrs Gordon ihn schließlich verbal zu einem einfachen Arbeiter gemacht hatte, zog er sich zu seinem Wagen zurück. Sue Gordon war eine launische Frau; einen Tag war sie überströmend freundlich und machte ihm Komplimente, und am nächsten Tag brachte jede Kleinigkeit sie auf die Palme.
Er hatte natürlich die Gerüchte auch gehört. Sue war eine begehrenswerte Frau gewesen, als sie und Ronald geheiratet hatten: Sie hatte lange Beine, schöne Zähne, liebte Wodka Martini und roten Lippenstift. Nach Sarahs Geburt jedoch hatte sie einen schweren Anfall von Depression, der einen langen Krankenhausaufenthalt nötig machte. Gerüchten zufolge lagen die Eheprobleme von Sue und Ronald jedoch eher in Sues Affäre mit einem Wollkäufer begründet.
Anthony blickte aus dem Fenster seines Jeeps, während die Landschaft an ihm vorbeizog. Seine Familie hatte ein schönes Anwesen, aber als jüngster Sohn würde er lediglich eine kleine Geldsumme und kein Land erben, und wahrscheinlich würde er nie genug Geld besitzen, um sich selbst eine Farm leisten zu können. Am besten war, er machte sich unersetzlich auf Wangallon, denn einen besseren Job würde er vermutlich nie mehr finden. Wenn er nur lange genug durchhielt und zu allem Ja und Amen sagte, hatte er gute Chancen, dauerhaft angestellt zu bleiben. Das Problem war Sarah. Er mochte sie sehr, aber er war noch nicht lange genug auf der Farm, um es schon riskieren zu können, mit ihr auszugehen. » Idiot«, sagte er laut. Er kam aber auch auf Gedanken! Trotzdem– Sarah war für ihn der Inbegriff all seiner Träume. Wäre es denn so schlimm, wenn er mit ihr mal ausgehen würde? Er dachte daran, wie mühelos sie gestern mit Oscar über diese hohe Hürde gesprungen war.
Die Luft war kalt, und Camerons Pferd nervös. Sie ritten über den sandigen Grat, und Camerons Wallach schnaubte und tänzelte, wenn sie Kaninchen, Eidechsen und ab und zu einen Fuchs aufscheuchten. Cameron lachte bloß über die
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