Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
anderen Seite des Kinderzimmers schlief der zweijährige William tief und fest neben Elizabeths Zwillingsbruder Howard. Die Jungen waren unruhig, und die Nanny hatte Rose schon häufig geschimpft, weil sie sie geweckt hatte. Jetzt jedoch schliefen sie friedlich.
Rose drückte ihre Wange zärtlich an Elizabeths glatte Stirn und wiegte sich in einem stummen Wiegenlied. Die Nanny der Kinder aß in der Küche mit dem übrigen Personal zu Abend und würde frühestens in einer Stunde wieder in ihr Reich zurückkehren. Jetzt begann der schönste Teil von Roses Tag, wenn sie die drei Wunder, die sie erschaffen hatte, ganz allein genießen konnte. Die Kinder, vor allem Elizabeth, hatten Roses Unglück gelindert und ihr die Ehe, aus der sie am liebsten geflüchtet wäre, erleichtert. Ganz gleich, was Hamish tat oder sagte, um den Graben zwischen ihnen zu überwinden, Rose konnte ihm einfach nicht verzeihen. Sie hielt ihren Mann für einen hervorragenden Geschäftsmann, aber die Tatsache blieb bestehen, dass er ein skrupelloser Mensch war.
Nur seine ständige Abwesenheit machte ihr Leben erträglich. Rose hatte sich eine glückliche Existenz eingerichtet, in der sich alles nur um ihre Kinder, ihren Haushalt und die Teegesellschaften drehte, die sie zweimal in der Woche veranstaltete und zu denen sie nur die angesehensten Matronen im Bezirk einlud. Das Geld von Hamish Gordon mochte zwar schmutzig sein, aber Rose hielt es für ihre Pflicht, den guten Namen der Suttons hochzuhalten. Da sie außerdem noch einmal in der Woche Klavierunterricht hatte, war Rose zufrieden mit ihrem Leben und fühlte sich, dank ihrer Kinder, geliebt und gebraucht. Den körperlichen Verkehr mit Hamish hatte sie eingestellt, indem sie eines Nachts einen so lauten Schrei des Abscheus ausgestoßen hatte, dass er in ein anderes Zimmer gezogen war. Das Leben war endlich recht angenehm geworden. Bis gestern Abend.
Nach achtmonatiger Abwesenheit war Hamish unangekündigt zurückgekehrt. In den vier Jahren ihrer Ehe hatte sie sich an seine unregelmäßigen Besuche gewöhnt, aber so lange wie dieses Mal war er noch nie weggeblieben. Es war schon spät, als er unangemeldet in ihr Schlafzimmer trat, ihr das Nachtgewand aus Spitze vom Leib riss und sie einfach nahm. Das Ganze fand wortlos und ohne große Umstände statt, und Rose war so überrascht, dass sie noch nicht einmal etwas sagte, als Hamish sie danach sanft auf die Wange küsste, sich auf seine Seite drehte und bis zum Morgengrauen fest schlief.
Elizabeth wand sich in ihren Armen.
» Schscht. Mama ist hier.« Rose drückte ihrer Tochter zärtlich einen Kuss auf den Scheitel und legte sie in ihr Bettchen zurück. Hamish erwartete sie unten im Salon, und Pünktlichkeit war ihr zwar wichtig, aber sie dachte nicht daran, Hamish zu gehorchen, was er wohl offensichtlich von ihr erwartete. Hier im Haushalt hatte sie das Sagen, und nur weil sie eine passable Nacht miteinander verbracht hatten, würde sie noch lange nicht die Kontrolle aus der Hand geben.
Hamish ging in dem holzgetäfelten Raum auf und ab. Überall war die Handschrift einer Frau zu spüren. Reynolds Familienporträts waren durch große Ölgemälde mit idyllischen ländlichen Szenen ersetzt worden, in Kristallvasen standen Blumenarrangements und auf den Ledersesseln lagen bestickte Kissen. Seine Schwiegermutter saß bereits in einem der Lehnsessel und döste vor sich hin, zum Teil sicher wegen ihres Gewichts, aber auch wegen der Wärme des Feuers. Ihre Haare hatte sie auf eine Art und Weise frisiert, die ihrem runden Gesicht schmeichelte. Hamish betrachtete die Karaffe aus geschliffenem Glas und ihren köstlichen Inhalt, entschied sich dann aber gegen ein weiteres Glas Brandy. Er erwartete eine Szene und wollte vorbereitet sein.
Wenigstens schliefen die Kinder schon, so dass er sie nicht anzuschauen brauchte. Die Zwillinge waren jetzt fast vier und der kleine William zwei, und bei dem Gedanken daran, sich dem Lärm und der allgemeinen Unordnung aussetzen zu müssen, den ihre Gesellschaft mit sich brachte, bekam er schlechte Laune. Aber sie wurden ja älter, und dann kam er wahrscheinlich besser mit ihnen zurecht. Jetzt, wo er eine Familie hatte und die Achtbarkeit besaß, die ein einflussreicher Mann seiner Meinung nach brauchte, wusste er nicht, was er damit anfangen sollte. Rose hatte immer noch keine Ahnung von Wangallon Station, und sie und die Kinder waren anscheinend hier am glücklichsten. Roses Mangel an Interesse hatte seinen Stolz so
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