Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Hügeln, und ein Foto von einem kleinen Cottage am Fuß eines Hügels. Aus dem Schornstein stieg Rauch. Sarah gefiel die raue Schönheit der Aufnahmen, und sie schaute sie sich gerne an, vor allem das Bild des kleinen Hauses. Auf der Rückseite stand Tongue, 1961 . Es war die alte Heimat der Gordons, ein Land, das nur ihr Vater besucht hatte. Ihr Großvater hatte sich nie dafür interessiert.
Die restlichen Fotos waren Aufnahmen der preisgekrönten Zuchthammel und Zuchtbullen, von Angus’ Rennpferden und von Familienmitgliedern, von denen einige schon seit Langem tot waren. Ihre Lieblingsbilder, auf denen sie mit Cameron zu sehen war, hingen prominent in der Mitte.
Sarah nahm eine bereits geöffnete Flasche Cabernet aus dem Schrank und schenkte sich ein Glas ein. Erst da bemerkte sie, dass das Lämpchen an ihrem Anrufbeantworter blinkte. Sie trank einen Schluck Wein und drückte nach kurzem Zögern auf die Taste, um die Nachricht abzuhören.
» Sarah, ich bin es, dein Großvater. Ich habe dir für Freitagabend einen Flug nach Hause gebucht. Tu einem alten Mann den Gefallen, Mädchen, ja?«
Warum wollte er sie so dringend sehen? Aber es ist ja egal, dachte Sarah und setzte sich auf den Balkon. Es war schön, gebraucht zu werden, und ein Wochenende konnte ja nicht schaden. Vom Hafen her wehte ein kräftiger Wind, und die Bäume im Park rauschten. Der Himmel war bedeckt, und es waren keine Sterne zu sehen. Jedes der kleinen Häuser unter ihr umgab schützend seine Bewohner und ihr Leben, ihre Erinnerungen an Liebe und Verlust. Je weiter Sarah nach Westen blickte, desto spärlicher wurde die Bebauung. Sarah drückte sich tiefer in die Ecke des Balkons und zog ihren Morgenmantel fester um sich. Sie trank noch einen Schluck Wein und schloss die Augen. Sie wollte jetzt schlafen, um der Realität zu entfliehen, wenn sie nicht von alten Zeiten träumte.
Herbst, 1867
Wangallon Station
Rose legte ihren Löffel auf ihren Dessertteller und wartete geduldig, bis ihr Mann zu Ende gegessen hatte. Mit der rechten Hand drehte sie langsam ihr geschliffenes Wasserglas. Dann strich sie mit dem Zeigefinger über ihren silbernen Dessertlöffel und legte schließlich die Hände auf die Leinenserviette auf ihrem Schoß. Ein Dutzend von allem, dachte sie, während sie im Stillen den Inhalt der großen Mahagoni-Anrichte zählte, um die Langeweile erträglicher zu machen. Zwölf Messer und Gabeln für Vorspeisen, zwölf Messer und Gabeln, zwölf Dessertgabeln und-löffel, zwölf Suppenlöffel, zwölf Kuchengabeln, zwölf Brotmesser, zwölf Teelöffel. Und dann waren da noch die Leinenservietten, Tischdecken, Gläser, Karaffen und alkoholische Getränke. Wein, Whisky, Brandy.
Milly, Boxers Nichte, räumte den Tisch ab und verließ mit einem kleinen Knicks den Raum.
» Ist alles vorbereitet für Abdul Faiz Abishara?«
Seine Stimme erschreckte Rose. Automatisch zog sie scharf den Atem ein, was den Schmerz der dicken Bandagen um ihre Brüste ein wenig linderte. Benommen dachte sie daran, dass ihre Milch so eintrocknete, wie die Hitze das Land ausdörrte. Für gewöhnlich unterhielten sie sich beim Abendessen nicht, denn es gab kaum etwas zu besprechen. Da eine von Boxers Frauen jetzt als Amme eingestellt worden war, dehnten sich ihre Tage noch mehr. Lange, unausgefüllte Stunden.
Hamish schob geräuschvoll seinen Stuhl zurück und trommelte gereizt mit den Fingern auf die Tischplatte. Vage erinnerte er sich an ein unterhaltsames, gut erzogenes junges Mädchen, ein völlig anderes Geschöpf als die Frau, die verloren an diesem eleganten Eichentisch saß, den er unter ungeheuren Kosten hierher hatte transportieren lassen.
» Howard, Luke und William werden für die Dauer des Besuchs bei Mrs Cudlow schlafen«, begann Rose langsam. » Der kleine Samuel bei mir. Lee hat das Menü bereits mit Mrs Cudlow besprochen, und die neue Leinenbettwäsche ist auch fertig.«
» Gut. Ich denke, Abdul wird einen Verwandten mitbringen und auch eine gewisse Anzahl von Dienstboten. Aber Genaueres werden wir erst wissen, wenn er da ist.«
Zufrieden blickte Hamish sich im Zimmer um. In einer kleinen Vase auf dem Kaminsims standen weiße und gelbe Margeriten und Glockenblumen; darüber hing sein Porträt. Das große Ölgemälde, das ein bekannter Künstler aus Sydney angefertigt hatte, zeigte ihn in einem braunen Ledersessel mit hoher Lehne. Besonders gut gefiel Hamish die Neigung seines Kopfs. Die dunkle Bräune seiner Haut stand in starkem Kontrast zu
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