Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
seinem schneeweißen Hemd. Das dunkelrote Smokingjackett trug zur Gesamtwirkung noch bei. Zu beiden Seiten des vergoldeten Rahmens hingen dekorative Teller, und über dem Durchgang zum Wohnzimmer hing ein großer, lackierter Fächer in Rot und Gold. Zuerst hatte Hamish sich darüber geärgert, dass seine Frau ihn bei einem chinesischen Hausierer gekauft hatte, aber schließlich musste er doch zugeben, dass er recht attraktiv wirkte.
» Die Geschäfte des Afghanen finden für gewöhnlich weiter im Inland statt, und ich habe schon damit gerechnet, nach Bourke reisen zu müssen. Aber Abdul besucht Kunden im Norden, nachdem er die Ankunft von Kamelen aus Karatschi überwacht hat.«
Rose lächelte ermutigend. So viele Informationen bekam sie selten. » Und dieser Mann, Abdul, hat sein Geschäft in Bourke?«, fragte sie.
» Ja, die Bourke Carrying Company.« Hamish ließ seinen Blick über die Mahagoni-Anrichte mit ihren Karaffen voll Sherry und Brandy gleiten und über den mit Schnitzereien verzierten Bücherschrank. » Ich habe Tapeten für dieses Zimmer bestellt: rote Rosen auf Cremeweiß und gelbe für das Wohnzimmer. Ich dachte, Gelb gefällt dir vielleicht.« Hamish räusperte sich.
Rose drehte ihren schmalen goldenen Ehering am Finger und senkte den Kopf, damit Hamish nicht sah, wie sich ihre Augen weiteten. » Gelb, ja, ja. Ich mag gelb.« Morgen würde sie vielleicht die Binden von der Brust nehmen, ihre Kleider durchsehen und ihre Haare waschen. Vielleicht würde sie morgen zum Bach gehen, und dann später, in der Mittagshitze, konnte sie sich auf der großen rosafarbenen Liege unter dem Fenster ausruhen. Die dunkelroten Samtvorhänge ließen keine Sonne durch.
» Es gibt schon Unstimmigkeiten zwischen den Bullockies und den Afghanen. Aber Geschäft ist Geschäft. Wettstreit ist wichtig für den Aufbau unseres Landes.« Hamish schlug so fest mit der Faust auf den Tisch, dass Rose zusammenzuckte.
» Ich hoffe, du wirst dich bemühen, gesprächiger zu sein, wenn unsere Gäste hier sind. Das Klavier, das ich bestellt habe, trifft in Kürze ein, und mit ein bisschen Übung kannst du ihnen sicher etwas vorspielen.«
» Ja, sicher«, erwiderte Rose gleichmütig. Sie stand auf, und ihre Serviette fiel zu Boden. Seit ihrer Ankunft auf Wangallon vor fast fünf Jahren hatte sie kein Klavier mehr gespielt.
» Du besprichst nie etwas mit mir; nicht die Möbel in diesem Haus, nicht das Klavier, die Tapete, die Gläser, das Besteck, nichts.« Und auch nicht die Höhe der Vorauszahlung, die sie vor ein paar Wochen zufällig in Hamishs Arbeitszimmer mitbekommen hatte, dachte sie. Für solche Informationen waren Jasperson und Dave offensichtlich besser geeignet. Eine große Vorauszahlung für die Wolle, die auf gestohlenen Schafen gewachsen war. Vielleicht war es ja auch besser, dass sie von seinen Neuerwerbungen nichts wusste, denn wenn Rose daran dachte, wo das Geld herkam, wollte sie eigentlich nichts davon wissen.
» Rose, wenn ich in der Vergangenheit versucht habe, mit dir darüber zu sprechen, hast du kaum zugehört.«
Das stimmt, musste sie zugeben. Sie wurde lustlos in seiner Gegenwart, denn Hamish erinnerte sie nur daran, wie unvollkommen ihre Welt geworden war.
» Rose, das Klavier und die Tapeten kommen in den nächsten vierzehn Tagen; mindestens einen Monat vor Abduls Ankunft.«
» Gut.« Rose bückte sich, um ihre Serviette aufzuheben.
» Ich habe auch zwei Ballen Seide für dich geordert, eine blaue und eine rosafarbene. Ich dachte, das müsste dir eigentlich gut stehen. Ich muss mich heute Abend um meine Geschäfte kümmern. Jasperson und Dave kommen in mein Büro. Gute Nacht.«
Er erwartete keine Antwort von ihr. Er war bereits weg und mit ihm sein Geruch nach Staub, Schweiß und Tabakrauch. Rose warf ihre Serviette auf den Esstisch und lauschte auf die Schritte der beiden Verwalter, den schnellen Schritt von Jasperson und den schlurfenden Gang von Dave. Rose nahm ein Buch aus dem Bücherschrank, las die erste Seite und stellte das Buch dann wieder ins Regal.
Es war schon spät, als Dave und Jasperson die Farm endlich verließen. Leise ging Hamish an Roses Zimmer vorbei in sein Schlafzimmer. Müde setzte er sich auf sein Bett und schob das dicke, in Leder gebundene Hauptbuch der Farm zwischen Bettgestell und Matratze. Wangallon Station florierte. Die Zahlen sprachen eine deutliche Sprache. Auf seinem Land weideten fünfzigtausend Merinoschafe. Hamish nahm eine Decke von seinem Bett und schlich
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