Weites Land der Träume
zum Essen auszugehen, und deshalb war Alice ein wenig beschwipst vom Champagner, als sie kurz vor zehn aus Teddys rotem Sportwagen stieg. Ihr schimmerndes türkisfarbenes Gewand schmeichelte ihrer Figur, und ihre Hände steckten in weichen cremefarbenen Glacéhandschuhen mit Perlenknöpfen an den Handgelenken. An ihren Ohrläppchen baumelten tropfenförmige Ohrringe aus Zuchtperlen, gefasst in achtzehnkarätiges Gold – ein Geschenk von Teddy – und gaben ihrer Aufmachung den letzten Schliff, als sie Arm in Arm auf dem Ball eintrafen. Die Sterne funkelten, und hin und wieder huschte ein Wölkchen über den Himmel. Nach seinem ersten Anruf hatte Teddy Alice einige Male in London besucht und sie in teure Restaurants und Nachtclubs geführt. Sie stellte fest, dass sie zu diesem komplizierten Mann, der einerseits sehr sanft und dann wieder so überdreht sein konnte, immer mehr Vertrauen fasste.
Der Maiball verging in einem Wirbel aus Romantik, Champagner und Lachen. Teddy und Alice tanzten in allen Zelten und schlenderten gemächlich über das ganze Gelände. Stolz stellte Teddy Alice seinen Freunden vor.
»Aber eigentlich möchte ich dich allein für mich haben«, meinte er und sah ihr in die Augen. Sie standen auf einem Nachbau der Seufzerbrücke. Die Trauerweiden am Ufer schimmerten silbern im Mondlicht.
Alice ahnte, dass sie sich in diesen Mann verlieben könnte, wenn sie es zuließ. Falls sie Robert nicht endlich vergaß, würde sie noch ihr ganzes Leben ruinieren.
»Storniere deinen Flug und heirate mich.« Verblüfft über seinen unerwarteten Antrag wich Alice zurück. »Känga«, flehte Teddy, griff nach ihrer behandschuhten Hand und zog sie an sich. »Du hast doch sicher bemerkt, dass ich mich in dich verliebt habe.« Alice sah den ernsten Ausdruck auf Teddys gütigem Gesicht und konnte nicht anders, als ihm über die Wange zu streichen.
»Auch wenn du mich jetzt noch nicht liebst, bin ich bereit, das Risiko einzugehen und abzuwarten, bis du es tust.«
»Oh, Teddy.« Das Schweigen zwischen ihnen konnte man mit Händen greifen. Die Gefühle, die Teddy in ihr weckte, waren nicht mit der herzzerreißenden, alles vereinnahmenden Liebe vergleichbar, die sie für Robert empfunden hatte. Doch sie waren da. Eine stetig wachsende Geborgenheit, eine angenehme und wohlige Sicherheit, die sich mit der Zeit vielleicht in Liebe verwandeln würde.
»Versprich mir, dass du wenigstens darüber nachdenkst, bevor du mir einen Korb gibst.« Teddys Stimme zitterte. Alice sah ihn sanft an.
»Ich verspreche es dir, Teddy«, flüsterte sie. Langsam beugte Teddy sich vor und küsste sie zart auf die Lippen. Diesmal machte sie sich nicht los, sondern erwiderte die Liebkosung. Schließlich gab Teddy sie frei, legte ihr den Arm um die Taille und räusperte sich.
»Ich muss etwas trinken. Komm, wir besorgen uns ein Glas Champagner und tanzen noch ein wenig, bevor die Sonne aufgeht.« Die Sterne verblassten bereits, und der Himmel im Osten erhellte sich. Als sie die Brücke verließen, erschien auf einmal ein Fotograf, der die Spannung zwischen ihnen ein wenig auflockerte. Auf dem Weg in die große Halle des Trinity College plauderten sie wieder angeregt miteinander. Obwohl sich im Saal viele Menschen befanden und das Orchester mit viel Schwung einen Walzer anstimmte, war die Tanzfläche leer.
»Worauf warten die denn alle?«, rief Teddy und bahnte für Alice einen Weg durch die Menge, während der Wiener Walzer erklang. »Weißt du, dass du die schönste Frau im Saal bist?«, sagte er, als er sie auf die Tanzfläche führte. Alice hörte nicht auf die Stimmen aus der Vergangenheit und ließ sich in seinen Armen treiben. Ihr Herz klopfte wie wild, und sie tanzten eine volle Runde durch den Raum, bis sich endlich andere Paare zu ihnen gesellten. Als sie nach draußen gingen, war es schon hell.
In der kühlen Morgenluft trafen sie sich mit Harry und Adrian und gingen zum traditionellen Maiball-Frühstück in den malerischen Green Man Pub in Granchester. Müde, aber überglücklich kehrte Alice mit Harry, beide noch im Abendkleid unter den warmen Jacken, im Zug zurück nach London. Als das Taxi sich durch den morgendlichen Londoner Berufsverkehr quälte, fragte sich Alice, was sie denn zu verlieren hatte, wenn sie diesen Mann heiratete. Wann würde sie endlich aufwachen? Ob es ihr nun gefiel oder nicht, Robert war mit Katie verheiratet. Die beiden hatten einen Sohn, und sicher war inzwischen schon das zweite Kind unterwegs. Zu
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