Weites Land der Träume
angefüllten Tage aus dem Hut zauberte. Als er sich erhob, waren seine Hände schweißnass, und sein Herz klopfte triumphierend, auch wenn er sich, ganz Brite, seine Gefühle nicht anmerken ließ. Schweigen senkte sich über den Saal, und Alice betrachtete stolz ihren Mann. Er sah so selbstbewusst aus.
»Wie Ihnen bekannt ist, haben Professor Judd Gimbelstein und ich beim Sammeln der Daten eng zusammengearbeitet«, begann Teddy gelassen. »Doch in jeder guten Beziehung spielt auch das Überraschungsmoment eine Rolle.« Als er Judd zugrinste, gefror das Lächeln des Amerikaners, und er spannte die Schultern an. »Als der Professor sich nach seinem schrecklichen Erlebnis am Khundscherab-Pass ausruhte, habe ich ein ganz besonderes Beweisstück gefunden.« Ein aufgeregtes Raunen ging durch den Saal. Alice bemerkte, dass sich Judds Gesicht leicht gerötet hatte. Unwillkürlich verkrampfte er die Hände im Schoß, während Teddy weitersprach.
»Es hätte genauso gut ihm passieren können«, fuhr er seelenruhig fort und beobachtete Judd aus dem Augenwinkel. »Ich wollte diesen magischen Moment der Erkenntnis mit Ihnen teilen und ihn zum Höhepunkt dieses wundervollen Kongresses machen. Professor Gimbelstein ahnt nichts davon.« Die Luft knisterte vor Spannung. Teddy machte eine Handbewegung. »Könnten die Kameras ein wenig näher herankommen?« Mit einer großartigen Geste legte er seinen Aktenkoffer auf den Tisch.
»All meine Selbstbeherrschung war nötig, um dieses Geheimnis für mich zu behalten, bis ich es meinem Kollegen und guten Freund und Ihnen allen zugänglich machen konnte«, scherzte er. Das Publikum kicherte, als er die zerschrammte geschnitzte Schatulle aus dem Aktenkoffer nahm und sie auf den Tisch neben das Rednerpult legte. Er kostete den Augenblick aus, während er vorsichtig die mit Rohseide zusammengebundenen Bambusscheiben herausholte. Judd blieb der Mund offen stehen, und Alice bemerkte, dass etwas Schreckliches passiert sein musste, als er aufstand und Teddy über die Schulter spähte. Sie erinnerte sich an die ärgerlichen Telefonate der letzten Wochen und blickte zwischen Teddy und Judd hin und her.
»Dieses erstaunliche Fundstück stammt aus dem Jahr 830 nach Christus«, verkündete Teddy. »Das wissen wir, weil das Datum in der Inschrift ausdrücklich erwähnt wird. Der Text enthält weiterhin eine faszinierende neue Schilderung eines Teils der Wanderschaft, die der buddhistische Mönch Xuan Zang, der beliebteste chinesische Reiseschriftsteller, auf der Seidenstraße unternommen hat. Der Bericht wurde von einem der Schreiber verfasst, dessen Ahne zum Hof des Xi’an zur Zeit von Xuan Zang gehörte. Das Interessante daran ist, dass Xuan Zang als Mensch sowie die gesamte Tang-Dynastie in einem völlig neuen Licht geschildert werden.« Das Publikum applaudierte heftig. Der Übersetzer, den Teddy für sein Schweigen fürstlich entlohnt hatte, saß in der zweiten Reihe und konnte vor Freude kaum an sich halten.
Als wieder Ruhe eingekehrt war, fuhr Teddy fort. »Professor Gimbelstein war so großzügig, sich damit einverstanden zu erklären, dass ich das Fundstück mit nach Cambridge nehmen kann. Allerdings werden unsere übrigen Forschungsergebnisse in den nächsten beiden Monaten in Oxford ausgestellt werden, bis eine Entscheidung über den endgültigen Standort getroffen ist. Professor …« Triumphierend streckte Teddy Judd die Hand hin und blickte seinen Kollegen unverwandt an, während Blitzlichter zuckten und die Zuschauer noch einmal lautstark Beifall spendeten. Judds Hand war schweißnass, als er in Gegenwart von zwölfhundert Zeugen die von Teddy schüttelte. Teddy bemerkte, dass ihm der Schweiß über das Gesicht lief und im Kragen versickerte. Für ihn gab es nichts mehr hinzuzufügen. Teddy hatte den ganzen Ruhm eingeheimst und seinen Partner ausmanövriert.
Nach seinem Erfolg auf dem Kongress lief Teddy zu Hochform auf. Er überschüttete Alice mit teuren Geschenken und Versprechungen und hörte ihr tatsächlich zu, als sie von ihrem Plan sprach, in Australien Land zu kaufen. Überglücklich zeigte er ihr das Titelblatt von National Geographic , auf dem sein Gesicht prangte, und berichtete, es seien weitere Artikel in Vorbereitung. Er hielt sich sogar an seine Zusage, sich nicht mehr über ihre Arbeit bei Professor Dixson zu beschweren. Das einzige Thema, das er mied, war Judds Reaktion, als er das Bambusbüchlein vorgelegt hatte.
Glücklich, weil sie in Ruhe arbeiten konnte,
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