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Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
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sanft von dem Pferd weg. Alice wischte sich rasch mit der Hand über die Augen. Blind vor Tränen, aber den Kopf hoch erhoben, ging sie auf den Pickup zu, ohne die Anwesenden anzusehen. Bea wusste, dass jetzt nicht der richtige Moment für Trost war.
    Trotz Beas gekünstelter Fröhlichkeit auf dem Schulweg und Alices vergeblichen Versuchen, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, war der Tag endgültig verdorben. Nicht einmal Bens Bemühungen, sie aufzuheitern, konnten in ihrer Benommenheit zu ihr durchdringen. Inzwischen war es Nachmittag, doch anstatt sich wie sonst über die freie Zeit zu freuen, schleppte sie sich widerwillig zur Koppel. Sie fürchtete sich davor, sie leer vorzufinden, wollte aber in ihrer Trauer an den Ort zurückkehren, wo Sherry und sie so viel Schönes erlebt hatten. Ihre Niedergeschlagenheit verwandelte sich in Gereiztheit, als sie die schwarz gekleidete Gestalt bemerkte, die leise vor sich hin pfeifend am Gatter lehnte. Sie wollte schon umkehren und zuckte zusammen, da Vater O’Reilly plötzlich das Wort ergriff.
    »Ich dachte mir, dass es nicht richtig ist, eine hübsche junge Dame wie dich ganz allein trauern zu lassen.«
    »Mir geht es gut. Meinetwegen brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, erwiderte Alice höflich und wandte sich zum Gehen.
    »Na, es freut mich, das zu hören. Möchtest du mir jetzt nicht lieber die Wahrheit sagen?« Bei diesen Worten wirbelte Alice herum, und ihre Augen blitzten zornig und anklagend. Wie ein verwundeter Vogel stürmte sie auf ihn zu.
    »Was haben Sie denn unternommen? Warum haben Sie ihn nicht aufgehalten? Meine Sherry. Sie haben zugelassen, dass dieser Mann sie mir wegnimmt. Sie war das letzte Geschenk, das ich von meinem Vater bekommen habe.« Von heftigen Schluchzern geschüttelt, sackte sie zusammen und schlug die Hände vors Gesicht.
    Sanft zog Vater O’Reilly sie an sich, sodass sie beinahe in seinem schwarzen Gewand verschwand. Nachdem der erste Weinkrampf vorbei war, bemerkte Vater O’Reilly zu seiner Erleichterung, dass wieder Zorn in ihre geröteten Augen trat.
    »Er hat das alles nur erfunden, Herr Pfarrer, damit er mir das Pferd stehlen konnte. Er ist der Dieb, nicht mein Dad. Ich hoffe, alle seine Pferde fallen tot um oder kriegen die Krätze oder weigern sich, weiter für ihn zu arbeiten.« Bei diesen Worten brach Vater O’Reilly in Gelächter aus.
    »Es freut mich, dass du wieder Temperament zeigst, mein Kind. Aber du meinst sicher nicht ernst, was du sagst. Du willst doch bestimmt nicht, dass Sherry krank wird.«
    »Nein, natürlich nicht, Herr Pfarrer, aber ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen, dass sie nicht mehr hier ist.« Alice holte tief Luft. Traurig fuhr sie fort: »Onkel Ray hätte ich es ja zugetraut, aber sogar Tante Bea hat zugelassen, dass der Mann sie mitnimmt.« Sie schniefte ein paar Mal und wischte sich mit der Hand über die Nase. Vater O’Reilly reichte ihr ein zerknittertes Taschentuch. Alice drehte einen Zipfel des Taschentuchs zwischen den Händen und sah den Priester forschend an.
    »Sie wissen doch etwas über diesen Mann, richtig?«
    »Vielleicht ja, vielleicht nein. Manche Fragen stellt man besser nicht. Dich braucht nur zu kümmern, dass deine Tante und dein Onkel gute Menschen sind und dass das Pferd wirklich diesem Mann gehört. So einfach ist das. Und jetzt putz dir die Nase.« Alice schnäuzte sich lautstark und gab ihm das Taschentuch zurück.
    »Jetzt geht es wieder, danke, Herr Pfarrer«, sagte sie und schniefte tapfer.
    Vater O’Reilly betrachtete ihr verweintes Gesicht. Er glaubte ihr. Sie litt zwar immer noch, aber das Schlimmste war überstanden.
    »Gib die Hoffnung nicht auf, junges Fräulein. Die Wege unseres Herrn sind oft unverständlich. Wenn es so vorherbestimmt war, sollte es eben sein. Sei jetzt stark und vergiss nicht, dass die Stunden vor der Morgendämmerung immer die dunkelsten sind. Ich denke, deine Tante hat jetzt auch ein bisschen Trost nötig.« Mit diesen beschwichtigenden Worten begleitete er sie zurück zum Haus, wo Tante Bea sich um sie kümmern konnte.
    Onkel Ray ging mit ausgesprochen übler Laune zu Bett.
    »Alices Trauer zerreißt mir das Herz, aber ich glaube wirklich, dass Tommy diesmal nicht die ganze Schuld trägt«, wandte Bea in bemüht sachlichem Ton ein.
    »Verschon mich mit deinen albernen Ausflüchten. So ein Kuddelmuddel ist doch typisch für ihn.« Bea verstummte schlagartig. Ray ließ sich neben sie ins Bett fallen und zog so heftig die Decke

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