Weites Land der Träume
ihr Tanzpartner zu sein und nicht auf Robert zu achten. Der gute, treue Billy, der immer versuchte, sie zu beschützen. Was Robert und Katie anging, sagte sie sich streng, dass es überhaupt keinen Grund gab, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Schließlich konnte ihr dieser herzlose Mistkerl, dem das Leben eines hilflosen Tiers keinen Pfifferling wert war, einmal im Mondschein begegnen – auch wenn er gut aussah und wunderschöne braune Augen hatte. Sollte Katie doch mit ihm glücklich werden!
Allerdings lag sie wach, bis die Sterne bei Morgengrauen verblassten, denn sie konnte ihre Gefühle für Robert nicht vergessen. Von ganzem Herzen wünschte Alice, sie einfach leugnen zu können, doch es war vergeblich.
Kapitel dreizehn
Als Billy Anfang Juni unerwartet nach Hause kam, konnte Alice ihn auf den Ball ansprechen. Da um diese Jahreszeit die Lämmer geboren wurden und es normalerweise viel zu tun gab, waren Ray und Bea überrascht, als sie hörten, dass ihr Sohn zwei Wochen Urlaub hatte.
»In diesem Jahr gibt es nicht viele Lämmer«, erklärte Billy nur.
Ray, der ziemlich überarbeitet war, hakte nicht weiter nach. Billy seinerseits brannte nicht unbedingt darauf, seinen Eltern zu erzählen, dass Melon, der Aufseher, ein Aborigine, bei einer Prügelei zwischen Billy und einem anderen Farmarbeiter hatte einschreiten müssen. Eigentlich hätte niemand den Zwischenfall an die große Glocke gehängt, wenn George McIain nicht bemerkt hätte, dass Billy betrunken gewesen war. Deshalb hatte er ihn für ein paar Wochen nach Hause geschickt, damit er sich wieder fing.
»Sie hatten Glück, dass ich Sie erwischt habe und nicht meine Frau«, gab ihm George zum Abschied mit auf den Weg. »Denn die hätte Ihnen keine zweite Chance gegeben.« Erleichtert hatte Billy sich das Haar aus der Stirn gestrichen und sich, lautlos vor sich hin schimpfend, getrollt. Verdammte McIains. Verdammte Schafe. Allmählich hasste er diese Arbeit. Es musste doch mehr im Leben geben, als einem Schaf in den Hintern zu glotzen.
Alices Gegenwart stimmte ihn froh. Vergnügt erklärte er sich bereit, sie zu dem Ball zu begleiten, und nannte sie scherzhaft seine Baby-Cousine. Doch ihn ihm sah es ganz anders aus. Obwohl er seit dem Tag unter der Brücke keinen Versuch mehr unternommen hatte, sie zu küssen, stellte Billy fest, dass er sich immer mehr in Alice verliebte, die inzwischen zu einer jungen Frau herangewachsen war. Alice hingegen behandelte ihn weiter wie einen großen Bruder, und er wusste, das er sich für den Moment mit der Rolle des Cousins und Beschützers zufrieden geben musste. Allerdings kostete ihn das einige Mühe und machte ihn launisch und reizbar.
Billy war nicht der Einzige, dem es so erging. Obwohl Robert alles getan hatte, um Alice zu vergessen, wollte es ihm nicht gelingen und er wurde immer unruhiger, je näher der Tag des Balls rückte. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und kam zu dem Schluss, dass es besser war, irgendetwas zu unternehmen als tatenlos herumzusitzen. Er griff zum Telefon und wählte die Nummer auf dem zerknitterten Zettel, erfuhr aber nur, dass Katie nicht da sei. Ärgerlich hinterließ er eine Nachricht und stürmte hinaus zu den Koppeln.
Katie erhielt Roberts Nachricht am folgenden Tag, als sie mit Sophie in Mosman eintraf, um dort das Wochenende zu verbringen. Sie rief ihn sofort zurück.
»Hallo, Katie«, erwiderte Robert, als sie ihn freudig begrüßte. »Pass auf. Ich würde gern auf deinen Vorschlag zurückkommen. Was hältst du davon, nächsten Freitag zum Essen und ins Kino zu gehen?« Der Klang von Roberts Stimme brachte Katies Blut in Wallungen.
Nachdem sie Uhrzeit und Treffpunkt verabredet hatten, legte Katie triumphierend den Hörer auf und machte sich auf die Suche nach Sophie. Sophies Tante und Onkel hatten Katie mit offenen Armen in ihre Familie aufgenommen. Da Bea und Ray die Reise nach Sydney nicht oft machen konnten, waren sie ihnen sehr dankbar, dass sie die Rolle von Ersatzeltern übernahmen. An dem Tag, an dem Robert in Sydney erwartet wurde, kramte Katie im Internat in ihrem Schrank und fragte sich, welches Kleid wohl am aufreizendsten aussah, ohne dabei zu offensichtlich zu wirken. Nachdem sie zu dem Schluss gekommen war, dass sie nichts Passendes besaß, lieh sie sich von einer Mitschülerin ein gewagtes kurzes Kleid und machte sich eilig auf den Weg nach Mosman. Zu ihrer Überraschung traf sie Sophie allein und mit finsterer Miene an, als sie ins Haus gestürmt
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