Weites Land der Träume

in Wangianna, redete aber davon, ebenfalls zu kündigen und Billy zu folgen. Was Alice jedoch seit dem katastrophalen Abend hauptsächlich beschäftigte, war die Sehnsucht in Roberts Augen, als er, seine blutende Nase haltend, auf dem Boden des Ballsaals gesessen hatte. Nie würde sie das Glücksgefühl vergessen, das sie in diesem Moment überwältigt hatte, als sie den Blick aus seinen feurigen Augen auffing. Doch als sie im kalten Licht des folgenden Morgens ihr zerrissenes und verschmutztes Kleid betrachtet hatte, waren ihr die ersten Zweifel gekommen. Und nun, zwei Monate später, fragte sie sich, ob sie sich das alles nicht nur eingebildet hatte.
    Die einzige Lösung war, dachte sie, als sie Sherry zügelte und vor Jokers Haus an ihrer üblichen Koppel aus dem Sattel glitt, war, diesen Menschen einfach aus ihrem Gedächtnis zu streichen. In wenigen Monaten würde sie die Schule abschließen und plante, im nächsten Jahr einen Lehrgang in Schafzucht zu besuchen. Botengänge wie heute und die Stelle im Krankenhaus würden ihr helfen, die Kursgebühren zu bezahlen. Und selbst wenn sie Roberts Blick richtig gedeutet hatte, sagte sich Alice, als sie die schweren Satteltaschen vom Pferd hievte, hätte er sie inzwischen doch wenigstens anrufen können.
    »Unsere Beziehung hätte sowieso keine Zukunft«, murmelte sie, als sie die Taschen zum Hangar schleppte. Wenn man den Gerüchten glauben konnte, war Robert ohnehin mit einem reichen Mädchen verlobt, das seine Mutter für ihn ausgesucht hatte. »Ich wünsche ihm viel Glück. Wen interessiert das schon?«, versuchte sie sich einzureden und pustete sich eine störrische schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht, die unter ihrem breitkrempigen Hut hervorgerutscht war. Dann eilte sie auf Joker zu, der gerade in einem mit Motoröl beschmierten Overall aus dem Hangar kam und mit einem schmutzigen Lappen an einem Motorteil herumwienerte.
    »Hallo, Alice«, begrüßte er sie fröhlich. »Ich habe hier ein paar Probleme.«
    »Ach, wirklich?«, erwiderte Alice gelassen und ging auf die Maschine zu, um die Ausrüstung einzuladen. Sie war absichtlich früh aufgestanden, damit auch ruhig etwas dazwischenkommen konnte.
    »Die da kannst du nicht nehmen«, fuhr Joker fort. »Der Motor ist hinüber. Ich musste ihn ausbauen.«
    Besorgt drehte Alice sich um. »Wie lange dauert die Reparatur?«
    »Keine Ahnung. Dazu brauche ich erst mal die Ersatzteile«, erwiderte Joker. »Aber keine Angst. Bluey ist heute Morgen gekommen. Er hat sicher nichts dagegen, dich zu den Farmen zu fliegen.« Fast hätte Alice vor Schreck die Satteltaschen fallen gelassen, als Robert aus dem dunklen Hangar trat. Ihre Beine begannen zu zittern. In seiner weißen Arbeitshose und dem offenen Hemd sah er unbeschreiblich attraktiv aus. Der breitkrempige Hut hing ihm halb ins sonnengebräunte Gesicht. Die Spuren von Billys Fäusten waren inzwischen nicht mehr wahrzunehmen.
    »Hallo, Alice«, meinte er ein wenig verlegen.
    »Hättest du was dagegen, die Kleine ein bisschen herumzufliegen, mein Junge? Aber wehe euch, wenn ihr euch haut.«
    »Keine Sorge«, erwiderte Robert. Alice grinste verlegen und errötete dann heftig. Inzwischen wusste der ganze Bezirk von der Schlägerei. »Sind das die Sachen?«, fragte Robert und nahm Alice die Taschen ab. »Wohin fliegen wir?« Er klang viel ruhiger, als er sich fühlte.
    Alice erklärte es ihm. »Es dauert sicher nicht lange, aber einige der Ersatzteile werden dringend erwartet«, fuhr sie fort. »Wenn wir gleich starten, sind wir um die Mittagszeit zurück.«
    »Gut, dann also los.« Robert grinste breit und ließ blendend weiße Zähne sehen. »Mein Schätzchen steht an der Zapfsäule.«
    »Passt auf das Wetter auf, Kinder, und benehmt euch«, rief Joker, als Alice Robert folgte, der mit langen Schritten losging.
    Wie Alice vorhergesagt hatte, dauerten die Lieferungen nicht lange, und bis Mittag war alles abgegeben. Als sie nach dem letzten Zwischenstopp zum Flugzeug schlenderten, wurde sie ganz traurig bei dem Gedanken, wieder nach Hause zu fliegen. Wenn Roberts Finger beim Gehen versehentlich ihre Hand streiften, durchliefen Schauder ihren Körper. Im nächsten Moment griff er plötzlich nach ihrer Hand. Alice starrte unbewegt geradeaus, und ihr Herz klopfte, als sie die verbleibenden Meter zur Cessna zurücklegten.
    »Es war ein toller Tag«, meinte sie schließlich und wagte nicht, Robert in die Augen zu sehen.
    »Danke, dass ich dir helfen durfte«, erwiderte Robert