Weites wildes Land
»Ihre Stimme ist Schutz genug. Sie würden einen ausgezeichneten Auktionator abgeben.« Er schloß die Tür und ließ Sibell kochend vor Wut zurück.
* * *
Am nächsten Morgen ging Sibell einkaufen. Die bewundernden Blicke der männlichen Bevölkerung machten ihr inzwischen angst. Cliff hatte sich beim Frühstück nicht blicken lassen, und Zack hatte nur gemeint, sein Bruder werde sich später bei ihr entschuldigen. »Ich pfeife auf seine Entschuldigung.« Aber Zack hatte nur wieder die Achseln gezuckt, was Sibell in Wut versetzte. Ihm schien das alles einerlei. »Sie bleiben hier«, sagte er zu ihr. »Ich muß einige Leute aufsuchen, Metzger und Viehaufkäufer auf dem Schlachthof. Vielleicht lasse ich mich noch rasieren und mir einen schicken Haarschnitt verpassen.« »Kann ich mir die Läden ansehen?« »Selbstverständlich. Aber bleiben Sie auf der Hauptstraße.« Er zückte die Brieftasche und nahm zwei Zwanzigpfundnoten heraus. »Wird das reichen?« »Ja. Vielen Dank.« Der Tag sah gleich viel rosiger aus. Der Chinese, dem der größte Laden gehörte, huschte herum, während Sibell sich ein wenig umsah. In diesem Durcheinander konnte sie nichts von dem finden, was sie suchte. Eisenwaren, Bekleidung, Konserven, Bettzeug, Feuerwerkskörper und Bonbongläser standen ohne irgendeine ersichtliche Ordnung auf und unter Tischen und auf breiten Regalen. Also nahm sie das Angebot des Ladeninhabers an, sich zu setzen, und rief ihm zu, was sie haben wollte, während er durch die Gänge lief. Hin und wieder tauchte sein kleiner, schwarzer Hut hinter einem Regal auf. Er kannte sich mit Reitkostümen für Damen aus und zog einen wadenlangen beigen Hosenrock aus einer Kommode hervor. Sibell, die noch nie ein solches Kleidungsstück gesehen hatte, fand es sehr merkwürdig. Doch als sie eines hinter einer spanischen Wand anprobierte, gefiel sie sich darin ziemlich gut. Der Chinese, der sich als Mr. Lee vorstellte, hörte mit Freude, daß sie von der Black Wattle Farm kam, und bestand darauf, daß sie ein Paar passender Reitstiefel mit hohem Schaft kaufte, damit nichts von ihrem Bein zu sehen war. Sibell kaufte vier Röcke – zwei davon für Maudie – und noch ein Paar Stiefel, daß Maudie sich nicht übergangen fühlte. Dann erstand sie einen Seidenkimono für Charlotte und eine lange hölzerne Spielzeugeisenbahn für Wesley. Als sie noch einmal durch diese Fundgrube von einem Laden streifte, entdeckte sie noch etwas, wonach sie ganz besonders gesucht hatte. Nach einiger Erörterung mit Mr. Lee war der Handel perfekt. Sibell kramte noch etwas herum und kaufte Kämme und Haarbänder für die Hausmädchen und für sich selbst. Mr. Lee brachte ihr Tee in einer winzigen Porzellantasse, und so verlief ihr Vormittag sehr erfreulich.
* * *
Zack fand Cliff auf dem Schlachthof. »Das war eine ziemliche Dummheit«, schimpfte er. »Du mußt dich bei Sibell entschuldigen.« »Den Teufel werd' ich tun. Es war ihr Vorschlag.« »Und deswegen hat sie vermutlich auch um Hilfe gerufen.« »Wer kennt sich schon bei den blöden Weibern aus? Vergiß es, Zack. Es geht dich nichts an.« »Was ist, wenn sie es Maudie erzählt?« »Na und? Was soll Maudie schon groß tun?« »Wir können keine Spannungen im Haus gebrauchen.« Zack war nicht überrascht, daß Cliff sich an Sibell herangemacht hatte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen. Wenn Cliff ohne Maudie irgendwohin ritt, mußte er sich gleich eine Frau suchen. Schon immer war er ein Schürzenjäger gewesen, und die Ehe hatte daran nichts geändert. »Es wird zu Hause keine Spannungen geben«, grinste Cliff. »Sibell hält den Mund, sie würde es nicht wagen.« »Paß auf, alter Junge«, warnte Zack seinen Bruder. »Ich glaube, du spielst mit dem Feuer. Dieses Mädchen hat etwas Wildes an sich, obwohl sie sich immer so sanft und höflich gibt.« Cliff fing an zu lachen. »Also ist es dir auch schon aufgefallen? Du bist, was Frauen betrifft, doch nicht so dumm, wie du immer tust! Aber du hattest jetzt genug Zeit, deine Rechte geltend zu machen, Zack. Und da du offenbar keine Ansprüche anmeldest, bin ich jetzt an der Reihe.« »Bist du nicht«, knurrte Zack, »und soweit wird es auch nie kommen, du läßt die Finger von ihr.« »Du kannst den Kuchen nicht gleichzeitig aufessen und behalten. Wenn du sie haben willst, heirate sie doch.« Früher oder später würde ihm auch Charlotte diesen Vorschlag machen, aber es fiel Zack leichter, mit Cliff darüber zu
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