Weites wildes Land
nicht wieder aufgeben. Zwar wurden in dem Gebiet an der Bucht, das sich Doctors Gully nannte, jetzt bessere Häuser gebaut, doch diese konnten sich nur wohlhabende Leute leisten. Abgesehen davon waren annehmbare Wohnhäuser nur schwer zu finden, besonders wenn man sie nur mieten wollte. »Wieviel wollen Sie dafür haben?« fragte sie deshalb. »Siebzig Pfund«, sagte er. »Sehl billig.« Josie hatte genügend Zeit auf den chinesischen Märkten verbracht, um zu wissen, daß jetzt Handeln angesagt war. Also bot sie vierzig. Sie feilschten eine Weile um den Preis, bis sie sich schließlich zur beiderseitigen Zufriedenheit auf fünfundfünfzig Pfund einigten. Sie eilte zur Bank, hob die Summe ab und war am späten Nachmittag stolze Besitzerin des Anwesens in der Shepherd Street. Darauf setzte sie sich sogleich hin und verfaßte einen ausführlichen Brief an Logan. Begeistert über ihre Errungenschaft beschrieb sie ihm darin das Haus in allen Einzelheiten und erklärte ihm, daß sie es für den Fall, daß ihn seine beruflichen Pflichten aus der Gegend von Palmerston fortriefen, immer noch vermieten und als zusätzliche Einnahmequelle nutzen könnte. Josie investierte sogar zwei Shilling für eine Aquarellskizze von Haus und Garten, die sie dem Brief beifügte. Schließlich erklärte sie ihm noch, daß sie bisher nichts für die Einrichtung ausgegeben habe, da das Haus ja nur gemietet gewesen sei. Nun allerdings wollte sie Vorhänge nähen und neue Möbel kaufen. Wenn er nach dem harten Leben in Katherine nach Palmerston käme, würde ihn ein gemütliches Heim erwarten. Nachdem sie den Brief aufgegeben hatte, verbrachte sie ein paar glückliche Stunden mit der Auswahl des Vorhangstoffs für die einzelnen Zimmer. Auf dem Rückweg machte sie einen kurzen Abstecher in einen chinesischen Laden mit einem buntgewürfelten Angebot, das ebenfalls Mr. Wang Lee gehörte, und erwarb einen hübschen persischen Teppich für das Wohnzimmer. Mr. Wang erbot sich, ihn ihr am kommenden Morgen zu liefern. Das schmeichelte ihr, denn sie hatte herausgefunden, daß ihm ein Großteil der Grundstücke in Palmerston gehörte. Trotzdem erledigte er alles persönlich, ging ebenso bescheiden einher wie seine Nachbarn und hob sich nur durch sein knöchellanges Gewand aus schwerem Leinen und der perlenbestickten Kopfbedeckung von ihnen ab. Als Wang eintraf, fand er Josie in Tränen aufgelöst vor. Sie war in aller Herrgottsfrühe losgelaufen, um Garn und Nadeln zu kaufen, und hatte auf dem Rückweg noch eine Zeitung holen wollen. Dabei hatte sie erfahren, daß auf dem Postamt ein Brief von Logan auf sie wartete. Enttäuscht, daß sich ihre Briefe gekreuzt hatten und er noch nichts von der großartigen Neuigkeit wissen konnte, hatte sie das Schreiben mit nach Hause genommen, wo sie es in Ruhe lesen wollte. Da Logan nur recht selten schrieb, waren ihr seine Briefe um so kostbarer. Wang Lee, der ihren Schmerz sah, verbeugte sich, rollte den Teppich aus und schob die Sessel an ihren Platz zurück. Dann blieb er unentschlossen stehen, die Füße eng beisammen und die Hände in den langen weiten Ärmeln verborgen. »Hat die ehlenwelte Dame keine Fleude mehl an dem Haus?« erkundigte er sich. »Nein«, schluchzte sie unter einem neuerlichen Ansturm von Tränen. »Das ist es nicht, Mr. Wang.« Er verbeugte sich erneut. »Schlechte Nachlichten fül die Dame?« »Ja«, seufzte sie. »Schreckliche.« »Jemand tot?« »Nein. Aber fast das gleiche.« »Ach so. Ich mache Tee, dann ist gleich alles bessel.« Unschlüssig folgte sie ihm in die Küche. Dort ließ sie sich am Tisch niedersinken und wischte sich die Augen. Ihr war es peinlich, daß Mr. Wang sie in diesem Zustand antraf, aber gleichzeitig war es ihr recht, wenn er blieb. Sie mußte einfach mit jemandem sprechen, und wenn es nur der alte Wang war. Als er den Tee sah, rümpfte er die Nase. »Dies Zeug ist schlecht. Nächstes Mal blinge ich besselen Tee mit.« Ungeachtet dessen bereitete er ihn zu und stellte eine Tasse vor sie hin. »Tlinken Sie. Das ist gut bei heißem Wettel.« »Danke«, schluchzte Josie. »Entschuldigen Sie bitte, Mr. Wang. Gleich geht es schon wieder.« Dann merkte sie, daß er nur eine Tasse eingeschenkt hatte, und sie bat ihn, sich auch davon zu nehmen. Er wirkte so beruhigend, wie er da schweigend neben ihr saß. In seiner Gegenwart ließ ihre Spannung nach. »Ich habe eine schlechte Nachricht bekommen«, erklärte sie ihm schließlich. »Und ich weiß nicht mehr, was ich tun
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