Weites wildes Land
Arbeiten gewöhnt war und auch über die nötige Muskelkraft verfügte, hatte weiterhin großes Vertrauen in die Zukunft. Entschlossen machte er sich auf den Weg in die Stadt, um sich eine Stellung zu suchen. Dort mußte er allerdings eine unliebsame Entdeckung machen: Die Reichen beschäftigten nur die billigsten Arbeitskräfte, die zur Verfügung standen, nämlich die Sträflinge. Zwar waren die Gefangenentransporte schon vor Jahren eingestellt worden, doch es gab noch immer genügend Verurteilte, die den Rest ihrer Strafe abdienen mußten. Die besseren Anstellungen bekamen die Männer, die Ausgang hatten, während die anderen Sträflinge von der Regierung im Straßenbau und bei der Errichtung öffentlicher Gebäude eingesetzt wurden. Zu seinem Entsetzen mußte Jack feststellen, daß es hier englische Landsleute gab, die in klirrenden Ketten einherschritten, und wurde Zeuge, wie sie unter dem brutalen Regiment ihrer Aufseher in der glühenden Hitze wie Sklaven schufteten und dabei Peitschenhiebe einstecken mußten, derer sich die Zugführer der Ochsengespanne geschämt hätten. Diese Männer behandelten ihre Ochsen besser als die Aufseher die Sträflinge, denn ein jedes Tier hatte seinen Namen und galt als sehr wertvoll. Nicht so diese armen Sträflinge. Jack konnte diesen demütigenden Anblick nicht ertragen, deshalb wandte er sich ab und setzte seine Suche nach einer Arbeitsstelle fort. Bei den Gästen in den Hotels bot er sich als Farmhelfer an, aber alle zeigten ihm die kalte Schulter. »Ein freier Siedler, was?« rief ihm einer hochmütig und verächtlich zu. »Nun, dann will ich Ihnen mal was sagen, Mister… ich bin als Sträfling in dieses Land gekommen, und das gleiche gilt für fast alle Männer hier. Euresgleichen hat uns damals die Seele aus dem Leib geprügelt. Und jetzt sind wir mal an der Reihe. Auf unseren Farmen und in unseren Ställen gibt es keine Arbeit für Leute wie Sie. Die kriegen nämlich unsere Kameraden und ihre Söhne. Also verschwinden Sie!« Die anderen Männer an der Theke johlten, als er sich abwandte. »Wenn das so ist«, schwor er sich, »kriegt keiner eurer Söhne jemals eine Stellung bei mir, wenn ich erst mal meine Farm habe.« In seiner Verzweiflung wandte er sich an das Amt der Landvermesser, wo er von einem jungen Mann namens Stuart Giles empfangen wurde. »So ist es hier nun mal«, erklärte ihm Stuart. »Diese Männer stehen auf der einen Seite und wir auf der anderen. Schätzungsweise gibt es in den Kolonien ebenso viele Sträflinge und ihre Nachfahren wie freie Siedler. Schließlich hatten die Knastbrüder zwanzig Jahre Zeit, um sich zu vermehren. Glauben Sie mir, Sir, das ist ein übler Haufen…« »Wenn man sich ansieht, wie sie behandelt werden, wundert mich das nicht«, entgegnete Jack, doch Stuart grinste. »Verschwenden Sie ihr Mitleid nicht an diese Halunken. Wenn man sie nicht antreibt, machen sie keinen Finger krumm. Ein anständiger Kerl wie Sie ist im Osten besser aufgehoben. Nehmen Sie also das nächste Schiff und fahren Sie nach Adelaide oder Melbourne.« »Das kommt nicht in Frage«, erwiderte Jack. »So schnell gebe ich nicht auf. Ich schlage mich hier schon durch. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Bescheid geben, sobald Sie was von einer Stelle hören.« Er sah das erwartungsvolle Glitzern in den Augen des Schreibers und fügte hinzu: »Es wird Ihr Schaden nicht sein.« In den nächsten Monaten fand Jack lediglich ein paar schlecht bezahlte Aushilfsstellen, und als ihre Ersparnisse dahinschmolzen, erwogen Josie und Jack, doch nach Adelaide weiterzuziehen. »Aber das Land soll dort teurer sein«, sagte Jack zu seiner Frau, »und sogar noch weiter abgelegen von allen Städten als hier. Wir müssen eben durchhalten.« Eines Tages bekamen sie Besuch von Stuart Giles. »Ich habe eine Farm für Sie. Für einen Spottpreis.« »Was für eine Farm?« »Sie betreiben Schafzucht. Aber der Besitzer konnte ein Schaf nicht von einem Rothirsch unterscheiden, und hat den Betrieb ziemlich schnell heruntergewirtschaftet. Und zu guter Letzt ist er ums Leben gekommen. Fiel vom Pferd und brach sich das Genick.« »Wie schrecklich!« meinte Josie. »Der arme Mann.« »Ja, wie das Schicksal so spielt«, sagte Stuart. »Eine gefährliche Gegend da draußen.« »Was wollen Sie damit sagen?« fuhr Josie auf. Jack griff ins Gespräch ein. »Genauso gut können Sie sagen, diese Stadt ist gefährlich. Erzählen Sie mir von der Farm.« »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es
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