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Weites wildes Land

Titel: Weites wildes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Patricia
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war es dort nicht so grell wie hier, und erst recht nicht zu dieser frühen Morgenstunde. Ihre Schatten hatten bereits gestochen scharfe Umrisse, und die mächtige Akazie neben ihrer Hütte war mit gelben Lichtfunken übersät, die sich so klar von den schlanken grünen Blättern abhoben, als glühte ein jedes aus eigener Kraft. Er seufzte auf, denn bei diesem Anblick fuhr ihm das Heimweh wie ein Stich ins Herz. Ihre neuen Nachbarn hatten sich zum Abschied um sie versammelt. Sie wünschten ihnen Glück und eine gute Reise. Die Männer standen pfeifenrauchend am Rande, während die Frauen an den Wagen traten und Josie ihre kleinen Geschenke überreichten – einen Beutel Äpfel, in Tuch eingehüllter Kuchen, ein Bund Karotten, alles Zeichen der Zuneigung von Leuten, die sie kaum kannte. Josie war gerührt über ihre Freundlichkeit. »Hüh, Nellie, auf geht's!« rief Tom dem Leitochsen zu und ließ die Peitsche knallen. Langsam zog das Gespann den Wagen an. Jack schwang sich auf den Sitz neben Josie und griff rasch nach den Zügeln, da die beiden Pferde den Aufbruch kaum noch erwarten konnten. Hinter ihm kauerten Ned und der junge Selwyn zwischen den Vorräten, während Jimmy Moon lässig auf einem Sack Kartoffeln thronte. Josie hakte ihren Mann unter, als sie den Weg auf die Hauptstraße einschlugen. »Ich hoffe, wir haben nichts vergessen«, meinte sie lachend. »Wir können schließlich nicht wegen ein paar Kleinigkeiten schnell mal in die Stadt fahren.« »Nein«, sagte er grimmig. Ihre Farm lag in hundertzwanzig Kilometer Luftlinie von Perth entfernt, hatte man ihm erklärt, auf dem gegenüberliegenden Ufer des Moore River, den man mit einer großen Fähre überqueren mußte. An der Straßenkreuzung mußten sie warten, denn gerade als sie eintrafen, ritt der Gouverneur in Paradeuniform, begleitet von einem Zug Marineinfanteristen hoch zu Roß, zurück in die Stadt. Ihnen folgte eine ganze Schar anderer Männer auf ihren Pferden. »Was geht da vor?« erkundigte sich Jack bei Jimmy. Doch der zuckte nur fragend die Achseln. »Lauf nach vorn zu Tom und frag ihn«, wies er Jimmy an. Der junge Schwarze sprang vom Wagen, und man sah, wie er mit Tom debattierte. Dann kehrte er kopfschüttelnd zurück. »Der will nicht mit der Sprache rausrücken. Sagt immer nur: schlimme Sache.« Etwas später kamen ihnen zahllose Fußgänger entgegen, die sich auf dem Rückweg in die Stadt befanden. »Vielleicht ein Morgengottesdienst«, rätselte Josie. »Muß jedenfalls ganz schön wichtig gewesen sein, wenn man auch den Gouverneur dazuholt«, meinte Jack. Dann zügelte er die Pferde und wandte sich an einen der Männer auf der Straße. »Was war da los?« »Eine Hinrichtung«, antwortete der Bursche. »Der Gouverneur hat zwei von den Niggern gehängt, die zwei Schafhüter umgebracht haben. Wenn man bedenkt, sie haben zwei Schafhüter auf dem Gewissen… dafür hätte er besser zehn von den Niggern aufknüpfen sollen.« »Oh, du meine Güte«, stieß Josie hervor. »Die brauchen Ihnen nicht leid zu tun, Lady. Die zwei Kerle machen Geschichte! Bei uns ist noch nie ein Schwarzer aufgehängt worden. Das Erschießen scheint sie ja nicht weiter zu beeindrucken, und deshalb wollte ihnen der Gouverneur eine Lektion erteilen. Er hofft, daß den anderen jetzt mal so ordentlich die Angst in die Glieder fährt und sie es sich gut überlegen, bevor sie was anstellen.« Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Dies war nicht die erste Hinrichtung, die die Cambrays erlebten, aber trotzdem hatte das Ereignis dem Tag den Glanz genommen. Schlimmer noch, erklang jetzt vor ihnen ein herzzerreißendes Heulen. Nachdem sie um die Kurve gebogen waren, sahen sie Hunderte von Aborigines, die sich schluchzend und klagend um einen großen Baum versammelt hatten. Über ihren Köpfen baumelten zwei Männer reglos an dicken Seilen. Unter den Hingerichteten patrouillierten vier Marineinfanteristen; offensichtlich hatten sie die Aufgabe, die Schwarzen davon abzuhalten, daß sie die Opfer abknüpften. Einige Eingeborene warfen sich in ihrem Schmerz und ihrer Wut schreiend zu Boden. Josie wandte den Kopf ab. Sie konnte nicht mehr verhindern, daß Ned diese Szene zu Gesicht bekam. Entsetzt beobachtete der Junge das Geschehen. Jimmy Moon hingegen stürzte quer über die Straße auf die Menge zu. Als sie den Ort des Grauens hinter sich gelassen hatten, hielt Tom sein Gespann an und kam zu ihrem Wagen. »Lange hat es der kleine Schwarze aber nicht bei uns ausgehalten«,

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