Weites wildes Land
war sie sich sicher, denn das Schicksal hatte sie zusammengeführt. »Mr. Logan ist zur Zeit nicht in der Stadt«, antwortete sie gefaßt. »Das ist mir bekannt. Aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.« Sibell runzelte die Stirn. Sie konnte es mit einem Mann wie Ezra jederzeit aufnehmen und würde sich nicht von ihm einschüchtern lassen. Logan hatte ihr einmal vorgehalten, daß jeder sein Leben selbst in die Hand nehmen mußte. Zwar erinnerte sie sich nicht mehr an die Einzelheiten, doch sie klammerte sich an diesen Satz. »Ich glaube nicht, daß Sie das etwas angeht, aber da Mr. Conal Ihnen ja bekannt ist, fragen Sie ihn am besten selbst.« »Das werde ich auch«, grollte Ezra. Er erhob sich und ging zur Tür. »Ich finde selbst hinaus«, sagte er. »Doch Sie werden noch von mir hören, Percy, darauf können Sie Gift nehmen.« Nachdem die Eingangstür krachend ins Schloß gefallen war, brach Margot in Tränen aus. Percy tobte. »Ezra Freeman ist ein einflußreicher Mann«, schrie er Sibell an. »Zeigst du so deine Dankbarkeit, nach allem, was wir für dich getan haben? Los, geh auf dein Zimmer! Ich will dich nicht mehr sehen! Du wirst dich bei Ezra entschuldigen und in die Hochzeit einwilligen. Das ist mein letztes Wort.«
* * *
Sibell schrieb zwar einen Entschuldigungsbrief an Ezra, allerdings nicht die Worte, die Margot ihr diktiert hatte. Sie bat um Verzeihung für alle Unannehmlichkeiten, die sie ihm verursacht hatte. Immer noch versuchte sie, Zeit zu gewinnen. Wo war Logan? Nun war es nur noch eine Woche bis Ostern, und sie hatte bislang nichts von ihm gehört. Schließlich erhielt sie einen Brief von Josie, den sie freudig öffnete, da sie auf Neuigkeiten hoffte. Und die bekam sie auch; schreckliche Nachrichten! Sibell konnte es kaum fassen. Taumelnd kehrte sie in ihr einsames, stilles Zimmer zurück, um den Brief noch einmal zu lesen. Eine unbeschreibliche Wut verschleierte ihren Blick, als sie feststellte, daß das Schreiben in Perth aufgegeben worden war. »…wenn Sie diesen Brief erhalten, sind Logan und ich schon nach Geraldton unterwegs. In Perth werden wir nur so lange haltmachen, bis Logan seinen Bericht abgeschlossen hat. Unter den gegebenen Umständen hielten wir es für besser, anderswo ein neues Leben anzufangen…« Sibell zerknüllte den Brief und warf ihn zu Boden, doch dann hob sie ihn wieder auf, um ihn noch einmal zu lesen. Sie konnte kaum glauben, was geschehen war. Josie und Logan! Das konnte doch nicht sein! Schließlich war Josie doch eine verheiratete Frau! Wie konnte Logan eine Frau achten, die ihren Mann verlassen hatte? »Es war mir möglich, meinen Sohn Ned im Internat zu besuchen…«, schrieb Josie weiter. Sibell platzte fast vor Wut. Hatte sie etwa auch ihren Sohn im Stich gelassen? Was für eine Frau war sie? Ganz sicher hatte sie Logan verführt, denn sie war ja verheiratet. Sie hatte ihm den Kopf verdreht. Eine Ehebrecherin! Eine hinterlistige Schlange! Und sie hatte vorgegeben, ihre Freundin zu sein, obwohl sie es die ganze Zeit nur auf Logan abgesehen hatte. Ihren Logan! »Ich hoffe, Sie werden mich verstehen, Sibell«, schrieb Josie. »Wir haben das nicht geplant. Es ist einfach geschehen, und wir empfinden so viel füreinander, daß wir es nicht ertragen konnten, getrennt zu sein.« »Mir wird übel«, keuchte Sibell und las weiter. »…Freuen Sie sich mit uns. Zwar steht mein ganzes Leben im Augenblick kopf, aber ich habe mich noch nie so glücklich gefühlt, denn wir sind sehr verliebt ineinander.« Sibell haßte sie. Sie haßte alle beide. Nun hatte sie niemanden mehr. Alle Menschen, denen sie vertraute, hatten sie verlassen. Da fielen ihr die Gilberts wieder ein. Warum hatte sie ihnen nur erzählt, sie sei mit Logan verlobt? Sie hatte sich zum Narren gemacht. Wie dumm würde sie dastehen, wenn Percy und Margot davon erfuhren. O Gott! O Gott! Sie mußte fort, irgendwohin, um dieser entsetzlichen Blamage aus dem Weg zu gehen, die gewiß bald über sie hereinbrechen würde. Was war sie nur für eine Närrin! Wenn sie Logan nur nicht erwähnt hätte, dann wäre alles nicht so schlimm gewesen. Doch das war nicht ganz richtig. Sie hatte ihn ja verloren! Sie wühlte in der untersten Schublade der Kommode. Wie hieß denn nur die Frau, die eine Gesellschafterin suchte? Wo steckte der Brief von Josie? Mit zitternden Händen kramte sie den Brief heraus und durchsuchte ihn hastig nach der Anschrift: Hotel Prinz von Wales, Palmerston. Da stand sie.
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