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Weites wildes Land

Titel: Weites wildes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Patricia
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weißen Männern gewesen, die bei jedem Schatten erschrocken zusammenzuckten. Aufmerksam suchte er die weißen Baumstämme ab, die die Lichtung umgaben, bis er schließlich die dunkle Gestalt entdeckte, die reglos nur einige Meter entfernt von ihm stand. »Komm heraus«, sagte er lachend, wobei ihm einfiel, daß er Kleider des weißen Mannes trug. »Erkennst du denn das Feuer eines schwarzen Mannes nicht?« Als der Mann näher trat, erkannte Jimmy überrascht, daß der Fremde ein Gerippe auf die Haut aufgepinselt hatte. Im Gesicht trug er die weiße Farbe der Trauer. »Wer bist du?« fragte er. »Guldurrim«, erwiderte der Mann. Er blieb aufrecht stehen und hatte seinen Speer fest in den Boden gerammt. »Bruder der Frau, die Lawinas Mutter ist.« »Hattest du einen Trauerfall in der Familie?« fragte Jimmy. Mit dieser Höflichkeit versuchte er, seine böse Vorahnung zu verbergen. »Die Trauer ist groß«, antwortete Guldurrim zornig. »Eine Frau ist tot, zwei Frauen sind verschwunden; entführt von weißen Männern.« Er riß den Speer hoch und hielt ihn sich wie eine Schranke vor die Brust. »Wenn du nicht fortgehst, werden wir dich töten. Die Männer sagen, daß du zu ihnen gehörst.« »Zu wem? Ich war monatelang fort.« »Du trägst die Kleider des weißen Mannes, du reitest auf einem großen Tier, du bist einer von ihnen geworden. Verschwinde!« Jimmy stand langsam auf. »Nein. Lawina ist mir versprochen. Erst gibst du mir Lawina zur Frau, dann gehe ich.« Er erkannte die Trauer in den Augen des Fremden, des Mannes, der Lawinas Onkel war, und verstand. »Wen haben sie entführt?« »Sie haben sie geraubt«, sagte Guldurrim mit tränenerstickter Stimme. »Sie haben mein kleines Mädchen umgebracht und Lawina und ihre Schwester geraubt.« »Wer?« schrie Jimmy auf. »Wer hat sie geraubt? Was seid ihr denn für Männer, wenn ihr zulaßt, daß euren Frauen so etwas geschieht?« »Verschwinde!« wiederholte Guldurrim beharrlich, doch Jimmy sprang rasch vor, riß ihm den Speer aus der Hand, warf seinen Gegner gegen einen Felsen und hielt ihm die Waffe an die Kehle. »Entweder du sagst mir jetzt, was geschehen ist, oder du wirst sofort deine gerechte Strafe bekommen.« »Es schickt sich nicht, daß du mich so behandelst«, beschwerte sich Guldurrim. »Einen Verwandten darfst du nicht bedrohen.« Jimmy ließ ihn los. »Dann setz dich und sprich. Wann ist es geschehen?« Guldurrim ließ sich im Schneidersitz im Sand nieder und blickte zum hell leuchtenden Halbmond empor. »Vor einem ganzen Monat«, fing er mit finsterem Gesicht an. »Die Frauen haben hinter den Wasserfällen Fischreusen aufgestellt, als drei weiße Männer gekommen sind.« »Woher weißt du das?« Jimmy stöhnte innerlich. Vor einem ganzen Monat. »Lawinas kleiner Bruder war auch dabei. Er hat sich versteckt. Die weißen Männer packten unsere Frauen und fesselten sie mit Stricken an Bäume. So…« Er zeigte mit den Händen, daß sie mit einer Schlinge um den Hals gefesselt worden waren. Wie ein Stück Vieh, dachte Jimmy, und Wut stieg in ihm auf. »Sie schändeten meine Kleine, deren Namen ich nicht aussprechen darf«, fuhr Guldurrim mit gesenktem Haupt fort, »doch sie hat sich gewehrt. Da haben sie sie erschlagen. Ach, würden doch die Geister ihnen die harten Herzen aus dem Leibe reißen!« »Auf die Geister würde ich mich nicht verlassen. Sprich weiter.« Viel gab es nicht mehr zu erzählen. Als die Mädchen vermißt wurden, machten sich die Familien auf die Suche. Den verstörten Jungen fanden sie in Todesangst in einer Höhle. Guldurrim entdeckte die Leiche seiner Tochter im Fluß. Aber die beiden anderen Mädchen blieben verschwunden. »Schande über dich«, tadelte Jimmy. »Warum hast du diese Mörder nicht verfolgt?« »Das haben wir getan. Doch sie waren zu Pferde und hatten einen Tag Vorsprung. Wir haben sie bis zur Straße des weißen Mannes verfolgt, bis zu den Zäunen. Aber unsere Männer wurden von Gewehrschüssen zurückgetrieben, und niemand wollte uns anhören.« Er brach in Tränen aus. »Wir haben wirklich große Schande auf uns geladen.« Jimmy zerrte ihn unsanft auf die Füße. »Ich will mit dem Jungen sprechen.« Sie durchwateten den Fluß und marschierten durch die Dunkelheit zu den Hügeln, bis sie das schweigende, trauernde Volk erreichten. Alles blickte auf Jimmy, als er sich zu Lawinas Bruder, einem mageren, verängstigten Siebenjährigen, setzte. »Fürchte dich nicht«, sagte Jimmy. »Erzähl mir alles, woran du dich

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