Weites wildes Land
Leute nicht von den Hamilton-Jungs gesprochen?). Er nahm den Hut ab, und ein sonnengebleichter Haarschopf kam zum Vorschein. Darunter blaue Augen, überschattet von dichten Augenbrauen. Sein Kinn war von Bartstoppeln bedeckt. »Ich bin Zachary Hamilton«, sagte er. »Und wie kann ich Ihnen helfen?« »Nun«, fing sie an. Von diesem ungehobelten Burschen wollte sie sich auf keinen Fall einschüchtern lassen. Er konnte höchstens Ende Zwanzig sein, auch wenn er ebenso selbstbewußt auftrat wie der Colonel. »Man hat mir erzählt, daß Mrs. Charlotte Hamilton eine Gesellschafterin oder eine Sekretärin sucht… tatsächlich bin ich mir nicht ganz sicher«, fuhr sie fort. »Aber ich möchte mich trotzdem um die Stellung bewerben. Ich bin von…«, alles in ihr sträubte sich, Josies Namen in den Mund zu nehmen, »…Mrs. Cambray an Mrs. Hamilton empfohlen worden.« »Das ist die Dame, mit der Charlotte korrespondiert«, sagte er. »Aber von einer Gesellschafterin weiß ich nichts. Wozu braucht sie eine Gesellschafterin? Meine Mutter ist eine sehr anständige Frau. Es ergibt keinen Sinn. Ich glaube, sie haben sich geirrt, Miss…« »Delahunty. Sibell Delahunty. Und ich bin mir sicher, daß ich mich nicht geirrt habe. Wie ich hörte, braucht Mrs. Hamilton Hilfe wegen ihrer Augen.« »Was ist mit ihren Augen?« Inzwischen glaubte Sibell wirklich, daß sie sich geirrt hatte. »O Gott, ich dachte, Mrs. Hamilton sei im Begriff zu erblinden.« »Sagten Sie, meine Mutter wird blind? Wer hat Ihnen denn das erzählt?« »Mrs. Cambray. Ihre Mutter hat in Perth einen Facharzt für Augenkrankheiten aufgesucht, mehr weiß ich auch nicht.« Er machte ein besorgtes Gesicht. »Sie hat eine Urlaubsreise nach Perth gemacht. Einen Augenarzt hat sie nie erwähnt. O Gott. Warten Sie einen Moment.« Sibell bemerkte, daß sie ihn mit dieser Nachricht erschüttert hatte, und sie bereute ihre Worte. Warum hatte sie nur nicht den Mund gehalten? Jetzt war Mrs. Hamilton sicherlich böse auf sie. Sie beobachtete, wie Zachary Hamilton mit den anderen Reitern draußen im Regen die Lage besprach. Josie war an allem schuld. Sie hätte ihr sagen müssen, daß es sich um ein Geheimnis handelte. Zachary kam zurück und zog sie in die Hotelhalle. »Wir müssen uns unterhalten.« Seine Begleiter folgten ihnen. »Das ist mein Bruder Cliff«, sagte er. Cliff, ebenso hochgewachsen, aber offenbar einige Jahre jünger, umklammerte mit der einen Hand seinen Hut und hielt Sibell die andere hin. »Nett, Sie kennen zu lernen, Miss.« »Und das ist Cliffs Frau Maudie.« Sibell sah zu, wie die junge Frau ihren tropfenden Regenmantel auf einen Stuhl warf. Sie trug ein Männerhemd, Reithosen und kurze Reitstiefel, Männerstiefel. Das blonde Haar hatte sie zu einem schlichten Zopf geflochten. Sie umfaßte Sibells Hand mit eisernem Griff. »Sie wollen also mit uns kommen?« fragte sie. »Ich weiß nicht. Darf ich?« »Sieht fast so aus«, antwortete Zachary. »Wann sind Sie angekommen?« »Gestern.« »Sind Sie allein?« »Ja.« Er wandte sich zu Cliff um. »Dann müssen wir sie wohl mitnehmen. Schließlich können wir sie nicht allein zurücklassen.« Cliff hatte noch Zweifel. »Ich weiß nicht so recht. Wir haben keine Kutsche dabei. Können Sie reiten, Miss?« »Ja.« »Aber sind Sie auch schon mal durch den Busch geritten?« fragte Maudie. Ihre Stimme klang so derb, wie ihre Kleidung aussah. »Das bin ich.« Sibell dachte dabei an den entsetzlichen Schiffbruch, doch das würde sie diesen Leuten nie erzählen. Diese unselige Geschichte sollte für immer vergessen sein. Maudie war immer noch argwöhnisch. »Es dauert aber mindestens fünf Tage, bis wir zu Hause sind. Das wird kein Spaziergang.« »Ich schaffe es schon«, antwortete Sibell, obwohl sie sich dessen nicht sicher war. Aber sie war fest entschlossen, nicht zurückzubleiben. »Besser, sie wartet, bis Charlotte in die Stadt kommt«, schlug Maudie vor. »Das dauert aber noch Monate«, widersprach ihr Mann. »Charlotte ist mit ihren Möbeln beschäftigt. Nicht mal zehn Pferde könnten sie von daheim wegbringen. Wir haben nämlich ein neues Haus gebaut«, erklärte er Sibell. »Eines, das sich auch für Frauen eignet. Jetzt, wo die Regenzeit gerade vorbei ist, haben wir es eben erst geschafft, Möbel hinzufahren.« Da hatte Zachary einen Einfall: »Maudie, du kannst ja mit Miss Delahunty im Schiff den Fluß hinunterfahren. Wir holen euch mit der Kutsche am Depot ab.« »Ich habe aber keine Lust, mit dem blöden
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