Weizenwampe
Insulinausschüttung und Bauchfettbildung führen. Keine als »glutenfrei« etikettierte Nahrung bei glutenfreier Ernährung.
Auf die Fragen, wie die Ernährung nach dem Verzicht auf Weizen aussehen sollte und wie man mit den Entzugserscheinungen fertig wird, gehe ich in Teil 3 näher ein und gebe Ihnen Schützenhilfe aus meiner Erfahrung mit vielen Tausend erfolgreichen Patienten.
Bevor wir jedoch ins Detail gehen, möchte ich über Zöliakie sprechen. Auch wenn Sie selbst nicht an dieser tückischen Erkrankung leiden, ist es in Bezug auf Weizen und seine Rolle für die menschliche Ernährung sinnvoll, die Ursachen dafür zu verstehen. Denn Zöliakie erteilt uns nicht nur eine wichtige Lektion zum Gewichtsverlust, sondern kann auch Nicht-Erkrankten wichtige gesundheitliche Einblicke liefern.
Also weg mit dem Keks, denn jetzt geht es um Zöliakie.
6. Was rumpelt in meinem Bauch herum? Weizen und Zöliakie
Der arme, arglose Darm! Da schiebt er nun Tag ein, Tag aus die vorverdauten Reste Ihrer letzten Mahlzeit durch die meterlangen Schlingen des Dünndarms und am Ende durch den Dickdarm. Ohne Urlaubsanspruch erledigt er seine Arbeit und verlangt noch nicht einmal eine Gehaltserhöhung. Gefüllte Eier, Hähnchenbrust und Salat werden in jenes bilirubinbraune, halbfeste Abfallprodukt verwandelt, das wir heutzutage schnurstracks der Kanalisation zuführen.
Ein Fremdkörper jedoch kann dieses ganze, sauber abgestimmte System stören: Gluten.
Nachdem der Homo sapiens und unsere Urahnen sich Millionen Jahre vom begrenzten Speiseangebot der Jäger und Sammler ernährt hatten, gelang dem Weizen erst im Laufe der letzten 10.000 Jahre der Sprung auf den menschlichen Speisezettel. In dieser relativ kurzen Zeitspanne von rund 300 Generationen haben sich noch nicht alle Menschen an diese einzigartige Pflanze angepasst. Die dramatischste Ausprägung einer fehlenden Anpassung an Weizen ist Zöliakie, bei der das Weizengluten den Dünndarm erkranken lässt. Es gibt auch andere Beispiele für eine mangelhafte Anpassung an Nahrungsmittel – denken Sie an Laktoseintoleranz –, aber nur Zöliakie ruft derart schwere Reaktionen und so mannigfaltige Ausdrucksformen hervor.
Lesen Sie bitte weiter, auch wenn Sie nicht an Zöliakie leiden. In diesem Buch geht es keineswegs in erster Linie um diese Erkrankung, doch ich kann schlecht erklären, wie Weizen die Gesundheit beeinträchtigt, ohne auf Zöliakie näher einzugehen. An diesem »Prototyp« können wir nämlich alle anderen Formen der Weizenintoleranz messen. Zudem ist Zöliakie auf dem Vormarsch und kommt heute viermal so oft vor wie vor 50 Jahren. Diese Zahl spiegelt in meinen Augen die Veränderungen wider, die der Weizen durchlaufen hat. Dass ein 20-Jähriger keine Zöliakie hat, ist keine Garantie dafür, nicht mit 45 daran zu erkranken, und die Krankheit nimmt zunehmend ein neues Erscheinungsbild an, das über die gestörte Darmfunktion hinausgeht. Auch wenn also Ihr Darm gesund ist und so regelmäßig arbeitet wie bei Ihrer Großmutter, können Sie nicht sicher sein, dass nicht ein anderes Organsystem auf Weizen hochempfindlich reagiert.
Die typischen Durchfallattacken von Zöliakieopfern kennen wir schon durch blumige Beschreibungen aus dem alten Griechenland. Vor 2100 Jahren riet der Arzt Aretaios solchen Patienten zum Fasten. In den folgenden Jahrhunderten mangelte es nicht an Theorien, weshalb Zöliakiepatienten an Diarrhö, Krämpfen und Mangelerscheinungen litten. Die sinnlosen Behandlungsansätze reichten von Rhizinusöl über regelmäßige Darmspülungen bis hin zur Empfehlung, Brot nur geröstet zu verzehren. Natürlich gab es auch Behandlungen, die gewisse Erfolge zeitigten, darunter die Muscheldiät von Dr. Samuel Gee um 1880 oder der Rat von Dr. Sidney Haas, täglich acht Bananen zu verzehren. 1
Erst 1953 kam der niederländische Kinderarzt Dr. Willem-Karel Dicke auf die Idee, dass Zöliakie durch Weizen ausgelöst werden könnte. Die Mutter eines Kindes mit Zöliakie berichtete ihm, dass dessen Ausschlag sich besserte, wenn sie ihm kein Brot zu essen gab. Diese Beobachtung machte ihn hellhörig. Als gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Lebensmittel – und damit das Brot – knapp wurden, hatte Dicke bemerkt, dass es Kindern mit Zöliakie besser ging. Später warfen schwedische Flugzeuge Hilfspakete mit Brot über den Niederlanden ab, und prompt verschlechterte sich das Befinden dieser Kinder. Daraufhin begann Dr. Dicke, genaue Aufzeichnungen über das
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