Weizenwampe
typischen Zöliakie mit Darmbeteiligung, besonders da bestimmte Antikörper (insbesondere die IgAs) bei einer weizeninduzierten Gehirnerkrankung nicht vorliegen. Da obendrein bei den meisten Menschen eine Gehirnbiopsie nicht in Frage kommt, ist nur ein gut informierter Neurologe in der Lage, die Diagnose zu stellen. Eine solche Diagnose stützt sich meist auf den Anfangsverdacht, positive HLA DQ-Marker sowie die Beobachtung einer Verbesserung oder Stabilisierung bei Verzicht auf Weizen und Gluten. 9
Das Schlimme an zerebellärer Ataxie ist, dass man ihr Vorliegen in der Regel erst bemerkt, wenn man über die eigenen Füße stolpert, gegen Wände taumelt oder einnässt. Wenn solche Symptome auftreten, ist das Kleinhirn jedoch wahrscheinlich bereits geschrumpft und geschädigt. Wer ab diesem Zeitpunkt vollständig auf Weizen und Gluten verzichtet, kann sich höchstens noch dem Pflegeheim entziehen.
Und das alles nur, weil wir unser Frühstücksbrötchen so lieben.
Von Kopf bis Fuß: Weizen und periphere Neuropathie
Die zerebelläre Ataxie kann also auf eine durch Weizen ausgelöste Immunreaktion gegen das Gehirn hervorgerufen werden, doch ähnliche Reaktionen beeinträchtigen auch die Nerven in den Beinen, im Becken und in verschiedenen Organen. Dann spricht man von einer peripheren Neuropathie.
Die periphere Neuropathie ist eine häufige Folgeerkrankung von Diabetes. Wenn es über Jahre immer wieder zu hohen Blutzuckerausschlägen kommt, nehmen die Nerven in den Beinen Schaden und werden gefühllos. So kann ein Diabetiker auf einen Reißnagel treten, ohne es zu spüren. Neben anderen Symptomen eines gestörten Nervensystems leidet auch die Regulation von Blutdruck und Puls, und der Magen entleert sich langsamer (diabetische Gastroparese).
Weizenkonsum kann Chaos im Nervensystem hervorrufen. Das Durchschnittsalter für das Einsetzen einer gluteninduzierten peripheren Neuropathie liegt bei 55 Jahren. Wie bei der zerebellären Ataxie haben die meisten Betroffenen keine Darmsymptome, die auf Zöliakie hindeuten würden. 10
Im Gegensatz zu den Purkinjezellen, die sich praktisch nicht regenerieren, können die peripheren Nerven sich in begrenztem Ausmaß reparieren, sobald der Dauerangriff durch Weizen und Gluten endet, so dass sich die Beschwerden bei der Mehrheit dieser Patienten zumindest teilweise wieder zurückbilden. In einer Studie an 35 glutensensitiven Patienten mit peripherer Neuropathie und nachweislichen Antigliadinantikörpern erfuhren die 25 Teilnehmer, die sich weizen- und glutenfrei ernährten, innerhalb eines Jahres eine Besserung, wohingegen sich der Zustand der zehn Teilnehmer aus der Kontrollgruppe, die weiterhin Weizen und Gluten zu sich nahmen, verschlechterte. 11 Auch die Überprüfung der Nervenleitung ergab eine verbesserte Leitung in der weizen- und glutenfreien Gruppe sowie eine Verschlechterung in der Kontrollgruppe.
Dem Weizen ein Schnippchen schlagen
Als ich Meredith kennenlernte, weinte sie. Sie hatte mich wegen einer Frage zu ihrem Herzen aufgesucht, einer EKG-Abweichung, die sich als harmlos erwies.
»Mir tut alles weh! Besonders die Füße«, klagte sie. »Ich bekomme alle möglichen Medikamente. Ich hasse das, weil ich unter den Nebenwirkungen leide. Seit zwei Monaten nehme ich etwas Neues, und seitdem habe ich solchen Hunger, dass ich unaufhörlich essen könnte. Ich habe sieben Kilo zugenommen!«
Meredith war Lehrerin. Sie erzählte, dass die Schmerzen in den Füßen ihr inzwischen auch längeres Stehen vor der Klasse erschwerten. In letzter Zeit hatte sie zudem Schwierigkeiten beim Gehen, denn sie fühlte sich unsicher und schlecht koordiniert. Und das Ankleiden dauerte immer länger, sowohl wegen der Schmerzen, als auch wegen der zunehmenden Ungeschicklichkeit. Sie war erst 56, brauchte aber einen Gehstock.
Ich fragte sie, ob ihr Neurologe eine Erklärung dafür hätte.
»Nein. Immer heißt es, sie fänden nichts. Ich müsste einfach damit leben. Gegen die Schmerzen können sie mir etwas geben, aber es wird wahrscheinlich schlimmer werden.« Da sackte sie in sich zusammen und fing wieder an zu weinen.
Schon beim ersten Eindruck von Meredith hatte ich auf Weizen getippt. Neben ihren Gehschwierigkeiten hatte sie ein aufgequollenes, gerötetes Gesicht. Sie berichtete von ihren Problemen mit Sodbrennen und den Bauchkrämpfen und Blähungen, die als Reizdarmsyndrom diagnostiziert worden waren. Außerdem hatte sie rund 25 Kilo Übergewicht und Wassereinlagerungen (Ödeme) im
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