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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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am Tag zuvor gesessen hatte.
    Kay Kafka entschuldigte sich für ihren derangierten Aufzug, den sie, wie sie erklärte, der Tatsache schuldete, dass sie seit dem Aufwachen mit wachsender Besorgnis versucht hatte, ihren Gatten zu kontaktieren. Pascoe kam der Gedanke, dass sie vielleicht gedacht hatte, Dalziel würde allein erscheinen, in welchem Fall ein locker geschnürter Morgenmantel als nützliches Instrument der Ablenkung hätte dienen können. Er jedenfalls fühlte sich abgelenkt durch den Eindruck, dass sie darunter nichts zu tragen schien. Dann verwarf er die Vermutung. Jeder, der so intelligent war wie Kay Kafka, hätte sich längst denken können, dass es wohl leichter gewesen wäre, ein angreifendes Nashorn mit einer amüsanten Anekdote zu zerstreuen als den Dicken, indem man ihn einen Blick auf die Lenden erhaschen ließ.
    »Tut mir leid, dass ich dich damit belästigt habe, Andy«, fuhr sie fort. »Ich wusste nicht, an wen ich mich hätte sonst wenden sollen.«
    »Schon in Ordnung, Liebes. Hör zu, wahrscheinlich gibt es keinen Grund zur Sorge, es lässt sich alles ganz einfach erklären. Ich hab die nötigen Hebel in Bewegung gesetzt. Zieh dich doch an, und ich frag mal nach, ob es was Neues gibt. Und die junge Ivor kann uns in der Zwischenzeit eine hübsche Tasse Tee machen.«
    Scheiße!,
dachte Novello wütend. Doch als Kay Kafka zur Tür ging, folgte sie gehorsam. »Wo ist die Küche, Mrs. Kafka?«, fragte sie.
    Als die beiden Frauen dann nahezu zeitgleich zurückkehrten – Kay Kafka makellos in Freizeithose und Pullover; Novello mit einem Tablett, auf dem Teekanne und Tassen standen sowie ein Krug Kranbeerensaft und ein Teller mit gebutterten Scones, wobei die letzten beiden allein auf ihr Konto gingen, denn wenn sie schon das Dienstmädchen spielte, dann konnte sie sich’s auch gut gehen lassen – bei ihrer Rückkehr also hatte Dalziel bereits herausgefunden, dass es nichts Neues gab.
    »Gut«, sagte er. »Ist noch früh am Tag. Trinken wir eine Tasse, ich zweifle nicht, dass wir in der nächsten halben Stunde was hören werden. Soll ich lieber den Mund halten?«
    »Nein, ich komme schon zurecht, Andy«, sagte Kay. »Entschuldigen Sie, meine Liebe, ich glaube, Sie haben den Zucker vergessen, und wie Sie sicherlich wissen, bevorzugt der Superintendent seinen Tee heiß und süß.«
    Oh,
dachte sich Pascoe,
da lebst du aber gefährlich. In einem verbalen Schlagabtausch kannst du unsere Shirley vielleicht mühelos abziehen, aber wenn es wirklich zur Sache gehen sollte, macht sie Kleinholz aus dir.
    Doch Novello ließ sich weder Groll noch Feindseligkeit anmerken, als sie sich erhob und auf der Suche nach der Zuckerdose das Zimmer verließ.
    Kay schenkte Tee ein und reichte die Tassen weiter. »Mir scheint, Mr. Pascoes Anwesenheit hat vielleicht mehr mit meiner Begegnung mit Sergeant Wield vergangene Nacht zu tun als mit meiner Sorge um Tony.«
    Sie musterte ihn mit einem aufmunternden Lächeln. Gleichzeitig warf Dalziel ihm einen Blick zu, bei dem ein Basilisk zu Eis erstarrt wäre, doch der DCI war nicht gewillt, diese Gelegenheit verstreichen zu lassen. Sollten schlechte Neuigkeiten zu ihrem Ehemann eintreffen, würde sie sich für einige Zeit seinem Zugriff entziehen können, im Moment jedoch hieß es, dass sie ihre sonst so wirkungsvolle Deckung ein wenig geöffnet hatte. Solche Gelegenheiten durfte man sich nicht entgehen lassen, wie ihm mal jemand beigebracht hatte, der gerade nicht allzu weit von ihm entfernt saß.
    »Eigentlich«, sagte er, »hatte ich schon vor, mich mit Ihnen noch mal zu treffen, bevor der Sergeant von Ihrer Begegnung berichtet hat. Gestern wurde ich weggerufen, bevor wir unsere wirklich interessante Diskussion beenden konnten. Sie erinnern sich vielleicht, wir sprachen über die verschiedenen Möglichkeiten, warum Ihr Ehemann eines von Emily Dickinsons Gedichten sozusagen als Abschiedsbrief ausgesucht hatte, worauf Sie eine sehr bewegende Erklärung anboten, was er sich Ihrer Meinung nach dabei gedacht hatte. Aber was, frage ich mich, glauben Sie, wollte sein Sohn uns durch dasselbe Gedicht auf dem Schreibtisch sagen?«
    Dalziels Blick war mittlerweile so durchdringend, dass Pascoe der Gedanke durch den Kopf schoss, falls er sich nun wegduckte, würden die Vögel in direkter Linie hinter ihm über mehrere Kilometer vom Himmel fallen.
    »Das weiß ich wirklich nicht, Mr. Pascoe«, sagte Kay. »Das könnte uns nur Pal erzählen, aber ich befürchte, der arme Junge war

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