Welch langen Weg die Toten gehen
gewillt bin, einzugehen. Hätten Sie was dagegen, sich zu mir zu setzen?«
Er öffnete die Beifahrertür. Pascoe stieg ein. Es roch nach opulentem Leder. Sie mussten gute Pensionsregelungen haben, diese krummen Scheißer, dachte sich Pascoe. Vielleicht erbten sie ja die Rentenansprüche derer, die sie aus dem Weg räumten.
»Ich werde mich so kurz wie möglich fassen«, sagte Waverley in geschäftsmäßigem Tonfall. »Sie werden mich nicht unterbrechen, und ich werde keine Fragen beantworten. Es wird auch später keine weiteren Befragungen mehr geben und natürlich auch keine Aufzeichnung davon.«
Pascoe schaltete den Minikassettenrecorder in seiner Tasche an. »Einverstanden. Wie Sie wollen, Mr. Waverley.«
9
Mr. Waverley
D
ie Welt ist ein verpfuschtes Palimpsest, Mr. Pascoe. Von Zeit zu Zeit wird der Versuch unternommen, das vorher Geschriebene zu verwischen, um etwas völlig Neues einzuschreiben. Aber die Ur-Schrift schimmert immer durch, weshalb wir zwei unauslöschliche, aber anscheinend widersprüchliche Wahrheiten lesen können. Eine davon handelt von ökonomischen Zwängen, die andere von der Heiligkeit der Herzensangelegenheiten.
Zweiteres zeigt sich am scheinbar befremdlichen Verhalten meinerseits in Bezug auf Miss Lavinia Maciver oder Ihres Mr. Dalziel in Bezug auf Mrs. Kay Maciver, der späteren Mrs. Kafka.
Ersteres hingegen war der Beweggrund für die Übernahme von Maciver durch Ashur-Proffitt.
Für die Öffentlichkeit war es lediglich ein weiterer Schritt im Prozess der wirtschaftlichen Globalisierung oder, je nach Blickwinkel, des Ausverkaufs der britischen Industrie unter Thatcher. Tatsächlich war es, wie Sie hoffentlich mittlerweile verstehen, nur eine kleine Bewegung in den sich ständig verändernden Strukturen einer globalen Schattenwirtschaft, die trotz aller temporären oberflächlichen Veränderungen durch Wahlen, Revolutionen und anderen Formen des politischen Wandels die Welt vereint.
Diese Kluft zwischen Schein und Wirklichkeit zeigt sich noch deutlicher im Hinweis darauf, dass diese Übernahme zu einer Zeit, als das Zauberwort in den Korridoren von Westminster
Privatisierung
lautete, im Grunde eine Art verdeckte Verstaatlichung war.
Was ich damit sagen will: Die Aktivitäten und die Sicherheit dessen, was allgemein als Ash-Mac bezeichnet wurde, fiel nun, wenngleich im Geheimen, unter die Verantwortung gewisser Leute in Whitehall und Westminster, wobei manche Interessen auch von gewissen anderen Leuten in Washington, D. C., wahrgenommen wurden.
Ich bin mir sicher, dass Sie bereits selbst dahintergekommen sind. Es dürfte nicht schwer gewesen sein. Gerüchte gibt es immer zuhauf. Aber die Regierung – jede Regierung – verfügt über nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, andere Gerüchte in Umlauf zu bringen, Gerüchte, die Gegenteiliges behaupten, Gerüchte von noch größerem Interesse.
Was Anlass zur Sorge bereitete, war das Verhalten von Palinurus Maciver senior, dem früheren Inhaber der Firma, der nun, wie man dachte, sicher auf einen bedeutungslosen Beraterposten abgeschoben war. Wenn jemand seines Zuschnitts anfängt, Vorwürfe wegen Sanktionsverletzungen und andere Formen illegalen Handels zu erheben, würde unweigerlich davon Notiz genommen. Und wenn er seine Behauptungen auch noch mit Beweisen untermauern konnte, hätten wir einen Skandal am Hals gehabt.
Und es gibt immer eine Menge Leute in den offiziellen und nichtoffiziellen Staatsbehörden, die nur allzu gern sich und ihre Sache mit Hilfe eines Skandals voranbringen wollen.
Das amerikanische Management von Ash-Mac versicherte uns, die Sache unter Kontrolle zu haben. Trotzdem wurde ich von meinen Dienstherren, die dem amerikanischen Know-how ebenso skeptisch gegenüberstanden wie die Amerikaner dem britischen Savoir-faire, nach Yorkshire versetzt, um einen unvoreingenommenen Blick auf die Dinge zu werfen.
Die Tarnung, die ich benutzte, war die eines Steuerfahnders, meine Lieblingsrolle. Sie ist sehr tief verankert. Sie werden in den Personalakten der Finanzbehörde den detaillierten Lebenslauf eines Laurence Waverley finden. Und es ist ein Job, der so viel Argwohn auf sich zieht, dass niemand auf die Idee kommt, mich für noch Schlimmeres zu halten.
In diesem Fall beschäftigte ich mich vorgeblich mit potenziellen steuerlichen Ungereimtheiten bei Ash-Mac, was hieß, dass ich mich unter dem Vorwand, die gegenwärtige Buchhaltung mit jener vor der Übernahme zu vergleichen, Maciver in einem sehr
Weitere Kostenlose Bücher