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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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geht. Genau! Haben Sie mich verstanden, Paddy?«
    »Ja, Sir«, antwortete Ireland beschwichtigend. »Hab ich verstanden.«
    Er fragt sich, warum ich mich so neurotisch aufführe, dachte sich Pascoe.
    Vielleicht sollte ich mich das selber fragen.
    Wittert meine sensible Nase, dass an dieser Sache irgendwas faul ist, oder reagiere ich nur so, weil der Dicke sich so schnell auf Selbstmord eingeschossen hat und mysteriöse Anspielungen von sich gibt, als wüsste er bereits alles?
    Als er im Flur Stimmen hörte, ging er hinaus. Die Geburtsgesellschaft war eingetroffen. Helen wurde von ihrem Ehemann und Dalziel gestützt, eng daneben Ellie und Kay Kafka, während Cressida und Sue-Lynn die Nachhut bildeten. Die letzten beiden wirkten etwas kleinlaut. Was nicht überraschen konnte. Ihr Ehemann und Bruder lag tot oben im ersten Geschoss, unten stand ihre Schwester und Schwägerin kurz davor zu gebären. Eine Situation, die selbst einen Tataren gezähmt hätte.
    »Hier herein«, sagte Pascoe.
    »Können wir sie nicht ins Schlafzimmer bringen?«, sagte Dunn.
    »Quatsch, da bräuchten wir ja einen verdammten Kran«, sagte Dalziel.
    Ein Schmerzenslaut von Helen überzeugte schließlich ihren Ehemann.
    »Gibt es fließendes Wasser?«, fragte Ellie.
    Pascoe sah zu Ireland, der sagte: »Ja, Ma’am.«
    »Auch warmes Wasser?«
    »Ich sehe nach.«
    »Danke.«
    Neugierig sah Pascoe zu Ellie. Die Szenen in den alten Filmen, in denen die Geburt immer von kübelweise kochendem und nie gebrauchtem Wasser begleitet wurde, hatten sie immer gewaltig amüsiert.
    »Was?«, fragte sie.
    »Nichts«, sagte er.
    Aus dem Wohnzimmer ertönte ein schriller Schrei.
    »Ich geh mal lieber rein«, sagte Ellie.
    Und während sie im Zimmer verschwand, kam Dalziel heraus. »Empfindliche Seelen haben da drin nichts verloren«, sagte er. »In der Wüste, sagt man, lassen die Beduinen-Mädels ihre Kinder einfach unterwegs beim Marschieren fallen, kommen da kaum aus dem Tritt. Die brauchen keine fünfzig anderen Weiber, die sie wie blauärschige Flöhe umkreisen. Vom Krankenwagen noch nichts gehört? Vielleicht soll ich mal mit den Typen reden.«
    »Glaub nicht, dass das was bringt«, sagte Pascoe scharf. »Er wird so schnell wie möglich kommen, und entweder ist er rechtzeitig hier oder eben nicht, und alles Geschrei in der Welt wird nichts daran ändern.«
    »Lass es nicht an mir aus, Pete.«
    »Was auslassen?«
    »Na, komm schon! Eine Frau, so schwanger, dass sie kaum noch laufen kann, bekommt einen Schock, als sie hört, dass sich ihr Bruder die Birne weggeknallt hat. Arzt und Krankenwagen sind schon hier. Und du lässt sie wieder abziehen! Nicht einer deiner besten Karriereschritte, Junge.«
    Pascoe packte den Dicken am Arm.
    »Meinst du?«, fauchte er seinem Vorgesetzten in die lächelnde Miene. »Gut, dann schlage ich Folgendes vor, was wir in den letzten Augenblicken meiner wunderschönen Karriere machen. Wir werden uns ein ruhiges Plätzchen suchen, damit du mich endlich darüber aufklären kannst, was du über dieses Haus und diese Leute weißt und ich nicht, okay?«
    »Dachte schon, du würdest nie danach fragen«, sagte Andy Dalziel.

12
    Fremde, kalte Welt
    D alziel und Pascoe saßen Seite an Seite auf der obersten Treppenstufe.
    »Kann es gar nicht glauben, dass du nichts darüber weißt«, sagte Dalziel. »Wo warst du vor zehn Jahren?«
    »Weiß ich nicht. Wo warst du Dienstag letzter Woche?«
    »Ist nicht das Gleiche«, sagte Dalziel. »Jeder kann sich mal an einen Tag nicht erinnern, aber ich kann dir genau sagen, wo ich vor zehn Jahren war.«
    »Schön für dich. Warte … vor zehn Jahren … im März … ah, ich erinnere mich! Da lag ich völlig fertig im Bett.«
    »Oh aye? Ein wüstes Wochenende?«
    »Nein. Ellie und ich waren in Marrakesch, wo ich mir die Hepatitis eingefangen habe.«
    »Sagte ich doch, ein wüstes Wochenende.«
    »Ha. Ging jedenfalls einen ganzen Monat oder noch länger so. Und wo warst du, damit du das noch so genau sagen kannst?«
    »Ich?«, sagte Dalziel. »Ganz einfach, ich war hier.«
    »Hier?«
    »Aye, Bursche. Kann mich zwar nicht erinnern, auf der Treppe gesessen zu haben, aber ich war in diesem Haus. Und aus ziemlich genau dem gleichen Grund. Vor zehn Jahren, auf den Tag genau, hat sich Pal Maciver senior, der Dad dieser Baggage, der mit den Kniebundhosen und der Wollmütze an der Wand hängt, in sein Arbeitszimmer eingeschlossen, einen Faden um den Abzug seines Purdey-Gewehrs gebunden, sich das andere Ende um

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