Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
darauffolgenden Tag ein. Mrs. Maciver, die mit der Stieftochter in Amerika herumreist, ist schwieriger zu erreichen. Drei Tage später aber ist auch sie da. Und nun wird es merkwürdig. Als sie vor dem Moscow House auftaucht, muss sie feststellen, dass sie nicht reinkann. Sie ruft bei der Polizei an. Wir versichern ihr, dass das nichts mit uns zu tun hat, finden aber heraus, dass die Schlösser auf Anweisung von Mr. Palinurus Maciver junior ausgetauscht worden sind. Da wir von Mrs. Maciver eine Kontaktadresse brauchen, gibt sie uns folgende: z. Zt. Mr. Tony Kafka, Cothersley Hall, Cothersley. Ich nehme an, Sie wissen, dass sie Kafka später geheiratet hat. Er ist CEO bei Ash-Mac, Ashur-Proffitt-Maciver, dem Unternehmen, dass der Familie Maciver gehörte, bevor es in den Achtzigern von den Amerikanern übernommen wurde. Pal senior hatte einen Sitz im Aufsichtsrat, aber das schien nur pro forma gewesen zu sein. Bei der gerichtlichen Untersuchung der Todesursache wurde spekuliert, wie sehr der Verlust der Führungsstelle zu seiner Depression beigetragen hatte.«
    »Othellos Tagewerk ist getan«, sagte Pascoe. »Und dann wurde aus der Witwe Maciver Mrs. Kafka. Wie lang hat das gedauert?«
    »Darüber steht nichts in der Akte, Sir, aber ich hab’s nachgesehen. Achtzehn Monate.«
    Pascoe sah sie eindringlich an. »Also, Shirley, warum glaubten Sie das nachprüfen zu müssen?«
    »War nur gründlich, Sir«, sagte sie.
    Die lange Zeit, die Pascoe damit verbrachte hatte, Spinnern, Krakeelern, Querulanten, Wortverdrehern, Haarspaltern zuzuhören, hatte seine Wahrnehmungen geschärft, weshalb er glaubte, hier etwas herausgehört zu haben. Ein Zögern? Vorbehalte? Irgendwas war da.
    Er beließ es zunächst dabei und fragte: »Und die gerichtliche Untersuchung – gab’s da was Interessantes?«
    »Was Interessantes?«
    »Gefühlsausbrüche, wütende Anklagen, solche Dinge. Sie haben sich vergangene Nacht nicht unbedingt als harmonische Familie präsentiert, und dass der junge Maciver die Schlösser auswechseln ließ, deutet doch auf gewisse Spannungen hin.«
    »Nein, Sir«, sagte Novello. »Schien glatt über die Bühne gegangen zu sein. Der Selbstmord wurde bestätigt, das war’s. Ich habe mir die Beweismittel angesehen, da ich schon mal dabei war. Neben dem Gewehr gab es noch ein Buch, das man auf dem Schreibtisch gefunden hat. Auch das wollte die Familie nicht zurückhaben. Ist ihnen nicht zu verdenken. Auch gereinigt und nachdem es zehn Jahre lang trocknen konnte, will man so was nicht auf seinem Beistelltisch rumliegen haben.«
    Sie zog eine transparente Plastiktüte mit Druckverschluss aus dem Müllbeutel. Pascoe sah, was sie meinte. Das Buch, das darin lag, war aufgeschlagen, vermutlich so, wie es vor den vielen Jahren auf dem Schreibtisch gefunden worden war. Er hatte sich vergangene Nacht den Band angesehen, bevor dieser zur Untersuchung ins Labor geschickt worden war. Die Worte auf der Seite waren unter den Blut- und Hirnresten nur schwer zu entziffern gewesen, aber er hatte die Seitenzahl und die Nummern mancher der kurzen Gedichte erkennen können, mit denen die Seite bedruckt war.
    Er unterzog sie nun einer Gegenprüfung mit dem älteren Buch, das von allen gröberen Verunreinigungen gesäubert und dessen aufgeschlagene Seite zwar noch in beträchtlichem Maß befleckt, aber lesbar war. Die Seiten- und die Gedichtnummerierungen stimmten überein. Pal juniors Selbstmord war zumindest in diesem Punkt eine getreue Kopie.
    Die Gedichtnummern reichten von 1062 bis 1068. Wie viele Gedichte hatte Dickinson geschrieben? Er wusste wenig über sie, außer dass sie Amerikanerin war und für die Zeilen
Trennung: was kennt man mehr an Heil, Was braucht man mehr an Hölle
verantwortlich war. Oder stammten sie von Ella Wheeler Wilcox? Auch eine, von der er absolut nichts wusste.
    Ellie würde es wissen, aber er würde es büßen, wenn er ihr seine Unwissenheit eingestand. Bei Wissenslücken zu Schriftstellerinnen kannte sie kein Pardon. Mit einem Lächeln erinnerte er sich an die Erwiderung des Dicken auf eine von ihm selbst provozierte Tirade: »Ich glaube, ich verstehe, was du meinst, Mädel. Wenn es Titten hat und zwei Wörtchen aufs Papier bringen kann, ist es ein unterdrücktes Genie.«
    Er überflog die winzigen Gedichte.
    Das erste, 1062, schien das relevante zu sein.
    Er prüfte – schwankte –
    Warf die Schlinge
    Ins Aus und ins Vorbei –
    In einen Sinn verstrickt, als sei
    Erblindet sein

Weitere Kostenlose Bücher