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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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zu können. Vielleicht aber war sie auch so berechnend und sah sich in naher Zukunft als lustige Witwe.
    Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass Pal und ich von Anfang an sahen, dass sie das alles nur für sich selbst tat. Beim Gedanken, sie im Haus meiner Mutter, im Bett meiner Mutter, mit den Sachen meiner Mutter zu sehen, wurde mir schlecht.
    Sie erkannte schnell, dass sie Pal und mich nicht hinters Licht führen konnte, weshalb sie sich auf Daddy und Helen konzentrierte. Helen war damals vier Jahre alt, was weiß man da schon? Sie hatte eine Frau verloren, deren ganze Aufmerksamkeit nur ihr allein gegolten hatte. Nun kam eine andere Frau, die scheinbar das Gleiche für sie tat. Helen stürzte sich auf sie wie die Fliege auf die Marmelade. Was Daddy betraf, ich weiß nicht, was sie mit ihm im Bett machte, aber er war völlig vernarrt in sie. Pal und ich leisteten Widerstand, so gut es uns möglich war, wussten aber beide, dass wir das Spiel verlieren würden.
    Ich glaube, für mich war es schlimmer. Pal war fünfzehn, er hatte viele Dinge, die ihn aus dem Haus führten. Sie wissen ja, wofür sich Jungs in diesem Alter interessieren. Mädchen und Fußball. Wir waren uns immer noch nah, aber nicht mehr so wie noch einige Jahre vorher. Kays Ankunft schweißte uns wieder zusammen, wahrscheinlich das einzig Gute, das man über sie sagen konnte. Aber sie trennte uns auch, denn ich kam zu dem Entschluss, dass ich nicht das ganze Jahr über mit ihr unter einem Dach zusammenleben konnte. Also sprach ich mit Dad und sagte ihm, dass ich meine Meinung übers Internat geändert hätte.
    Er hatte für uns beide gewollt, dass wir zur höheren Schulausbildung aufs Internat gingen. Pal hatte rundweg abgelehnt. Er sagte, alle seine Freunde gingen aufs Weavers, und dahin wollte er auch. Als ich so weit war, tat ich es ihm gleich. Ich hatte dort gerade angefangen, als Kay die Bühne betrat. Plötzlich erschien mir das Internat nicht mehr als die schlechteste Option. Ich besprach es mit Pal, er meinte, er würde mich vermissen, verstand aber, warum ich weg wollte, außerdem gäbe es ja die Ferien, auf die wir uns freuen könnten. Also ging ich.
    Aus meiner Sicht lief es großartig. Am Anfang hatte ich ein bisschen Heimweh, aber ich musste nur an Kay denken, und schon war das Thema vom Tisch. Ich lernte schnell Freunde kennen und hatte bald meinen Spaß. Natürlich schrieb ich Briefe an Pal, erzählte von meinen Abenteuern, und er schrieb zurück und berichtete, was dort so los war. Aber Kay erwähnte er nie.
    Erst viel später habe ich herausgefunden, was dort, sobald ich weg war, vor sich ging.
    Ich weiß nicht, ob sie wirklich so von ihm angetan war. Überrascht hätte es mich nicht. Wie ich schon sagte, mit zwölf war er auf dem besten Weg, ein Bild von einem Mann zu werden. Die schlaksige Pickelphase dauerte in seinem Fall kaum ein Jahr, und plötzlich, als Teenager, war er so weit: ein Leckerbissen für jede Königin. Und Kay hatte ja immer so was Königliches an sich. Sie wissen schon, ruhig, kontrolliert, niemals ein falsches Wort. Wie die königliche Familie früher mal war. Und vielleicht machte sie auch die Vorstellung an, neben dem Vater auch den Sohn haben zu können. Von Anfang kam sie mir wie so eine Art sexuelle Hochleistungssportlerin vor. Spielt keine Rolle, wie schick und proper jemand aussieht, eine Frau spürt das meistens.
    Oder es ging ihr vielleicht auch nur auf den Geist, weil er und ich deutlich zu verstehen gegeben hatten, dass wir uns nicht verschaukeln ließen und dass wir sie nicht mochten. Sie versuchte es bei mir mit der »Mädchen, lass uns doch Freundinnen sein«-Nummer, gab es aber auf, als sie sah, dass sie bei mir damit nicht weit kam. Bei einem Jungen ist das was anderes. Männer, im Teenageralter alle und manche noch weit darüber hinaus, sind doch völlig verloren, wenn eine Frau nur ihren Schwanz zwischen die Finger bekommt. Ihre persönlichen Lebensumstände und Gefühle spielen da keine Rolle mehr. Ich weiß es. Ich hab’s ausprobiert, und es funktioniert. Gott hat uns im Geschlechterkampf nicht sonderlich gut ausgerüstet, aber das zumindest hat er uns mitgegeben.
    Also stellte sie ihm nach.
    Ganz bewusst lief sie ihm über den Weg, rein zufällig natürlich. Oder sie kam aus dem Badezimmer, wenn er daran vorbeiging, und hatte nur ein Handtuch um die Schultern, sonst nichts, und zwinkerte ihm zu. Oder sie lag oben ohne auf dem Rasen in der Sonne und bat ihn, ihr den Rücken einzuölen.
    Pal

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