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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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wusste nicht, was er machen sollte. Wie erzählt man so was seinem Vater? Außerdem stand es zwischen ihnen sowieso nicht so gut. Ich glaube, Daddy hatte die verrückte Vorstellung, sein Junge würde sich in der Geschäftswelt etablieren und wieder die Kontrolle über das alte Familienunternehmen erlangen. Aber Pal machte von klein auf klar, dass er mit solchen Dingen nichts zu tun haben wollte. Er interessierte sich weder fürs Bergsteigen noch für die Jagd, und manchmal redete er mit breitem irischen Akzent und sagte, er unterstütze die IRA , nur um Daddy auf die Palme zu bringen. Aber als er dann wirklich mit Daddy reden wollte, war das verdammt noch mal fast unmöglich, vor allem bei diesem Thema. Er litt im Stillen, und wenn er dann doch seine Feindseligkeit gegenüber Kay zeigte, wurde er von ihm wegen seiner schlechten Manieren zusammengestaucht!
    Und dann gab es noch eine weitere Komplikation.
    Pal fand Kays Verhalten zutiefst abstoßend, dessen war ich mir sicher. Aber er war ein junger Mann, stand voll im Saft, und obwohl er es nie zugab, war doch zu sehen, dass es ihn trotz allem auch erregte. Das alles fand buchstäblich seinen Höhepunkt, als sie ihm eines Tages unter die Dusche folgte. Allem Anschein nach wollte sie es ganz durchziehen, aber wenigstens dieses eine Mal unterschätzte sie ihre Verführungskünste, und er kam, bevor sie ihn in sich hatte.
    Diesmal brannte er nur darauf, es Daddy zu erzählen, tat es aber nicht. Er schämte sich zu sehr. Das ist etwas, was Sie über Pal wissen sollten. Er konnte ziemlich locker wirken, sogar auf zynische Weise amoralisch, aber im Innersten war er ein guter, warmherziger Mensch. Ich weiß, das klingt wie sentimentaler Quatsch, aber ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll. Jedenfalls nahm er mir das Versprechen ab, dass ich es niemandem erzähle, und ich hab mich daran gehalten. Aber nur, was Daddy anbelangte. Ich versprach nicht, dass ich nicht mit Kay darüber reden würde, und eines Tages schnappte ich sie mir und sagte ihr in aller Deutlichkeit, was ich von ihr hielt. Ich machte ihr klar, wenn mir nur von Ferne zu Ohren kommen sollte, dass sie weiterhin um Pal herumschlich, würde ich es aller Welt erzählen, Scheiß auf die Konsequenzen.
    Und das war’s dann. Danach herrschte zwischen uns Kalter Krieg. Ich tat mein Bestes, um höflich zu sein, wenn Daddy da war, aber die frostige Atmosphäre konnte ihm nicht verborgen bleiben. Glücklicherweise ging kurz darauf Pal nach Cambridge (um Kunstgeschichte zu studieren, was, wie Daddy nie müde wurde zu erklären, seiner Meinung nach pure Zeitverschwendung war), und nachdem ich im Internat war, fiel es leicht, den Kontakt auf ein Minimum zu beschränken. Aber ich glaube, sie wusste ganz genau, dass das Spiel aus war, zumindest soweit es Pal und mich betraf, und deshalb beschloss sie wohl, dass es für sie das Beste wäre, sich mit maximalem Profit aus der Ehe zu verabschieden, bevor einer von uns an die Öffentlichkeit trat und verkündete, was für eine verdorbene Schlampe sie war. Ich denke, als Erstes stellte sie den Sex mit Daddy ein, damit er in die richtige Gemütsverfassung für eine großzügige Scheidungsregelung kam. Das kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Es gehört nicht zu den Dingen, die ein Mann wie mein Vater mit seiner Teenager-Tochter besprechen würde. Aber ich konnte doch sehen, dass sie in den ersten zwei oder drei Jahren ihrer Ehe kaum die Finger voneinander lassen konnten. Ich erinnere mich, wie sehr mich der Gedanke entsetzte, sie könnte schwanger werden. Ihr Baby im Haus! Gott, was für Aussichten! Und ich bin mir sicher, Daddy hätte nichts lieber gewollt, als mit ihr eine neue Familie zu gründen. Aber es passierte nicht. Ich vermute, Kay hat verdammt noch mal schon dafür gesorgt!
    Wie auch immer, schließlich war nicht zu übersehen, dass es sich zwischen ihnen ziemlich abgekühlt hatte. Ich war in den Trimesterferien im Frühling zu Hause, und Daddy war nicht er selbst, ganz und gar nicht. Er war abgelenkt, voller Unruhe, wütend, frustriert, alles Mögliche. Weiß Gott, wie sie ihm zusetzte, jedenfalls war es was, womit er nur schwer zurechtkam.
    Ich kehrte zur Schule zurück. Ich sprach mit Pal am Telefon. Er sagte, er fahre vielleicht nach Hause, um mit Daddy zu sprechen, obwohl er sich nicht viel erhoffte. Daddy war keiner, dem man sein Herz ausschütten konnte. Eine Woche später oder so rief er zurück und sagte, dass er zu Hause gewesen war, aber Daddy

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