Wellentänze: Roman (German Edition)
Julia ein Glas Sherry. »Oh, danke! Den kann ich jetzt gebrauchen!« Er blieb bei ihr stehen, daher nutzte sie die Gelegenheit, um sich für ihre frühere Bärbeißigkeit zu entschuldigen. »Du hast mir unendlich geholfen, als du mir heute Nachmittag die ganze Meute vom Hals geschafft hast. Irgendwie schienen sie nicht miteinander zurechtzukommen, und ich hatte überhaupt keine Zeit, mich um sie zu kümmern.«
»Du brauchst dich nicht bei mir zu bedanken, Julia. Ich habe es für Suzy getan, nicht für dich.«
Sie hatte diesen spöttischen Blick schon früher bei ihm gesehen, und zwar beim Schieben eines Fahrrades, und es tat immer noch weh. Da ihr eine akustische Form der Selbstäußerung verwehrt war – oder wenigstens ein deftiges Wort mit den Anfangsbuchstaben Sch ... –, weil sie in der Kombüse von allen zu sehen war, gönnte sie sich einen heimlichen, lautlosen Wutanfall. Als sie die Augen wieder öffnete, war Fergus verschwunden. Erst später dämmerte ihr, dass er wahrscheinlich einige ihrer unfreundlicheren Bemerkungen über ihn mit angehört hatte. Aber das hätte ihn doch höchstens erleichtern können? Ihrer Mutter zufolge war Lally genauso erpicht auf eine Verbindung wie sie selbst. Warum war er nicht einfach dankbar, dass die von Margot feilgebotene Tochter ihn ansah, ohne dass Hochzeitsglocken in ihren Augen schimmerten?
Trotz Suzys Beteuerungen, dass sie mit den anderen essen solle, blieb Julia standhaft in der Kombüse und konzentrierte sich darauf, alles gleichzeitig warm zu bekommen. Sie hatte ihr Menü sorgfältig geplant und sich etwas ausgedacht, von dem sie hoffte, dass es weder zu ehrgeizig noch zu langweilig war. Aber obwohl alles in Ordnung zu sein schien, wollte sie den Gästen beim Essen lieber nicht zu nahe kommen, für den Fall, dass sie irgendeinen grässlichen Fehler begangen hatte.
Sie schlug Sahne, streute Petersilie auf die Suppe, legte auf jeden Teller eine ausgehöhlte und mit Erbsen gefüllte Tomate neben die beiden Lammkoteletts und verzierte die Schokoladenmousse in den Dessertschälchenmit gerösteten Mandeln. Alle bestaunten ihre Kreationen mit höchst befriedigenden Lauten des Entzückens. Alle bis auf Fergus.
Er kam mit einem Stapel schmutziger Teller herein. »Also, wie war es?«, fragte Julia, während sie heißes Wasser in die Spüle einließ und sich fest vornahm, höflich zu sein.
»Okay.«
Sie warf einen Blick über ihre Schulter. »Nur okay?«
»Nun, ich habe nicht viel übrig für Hotelessen. Mir ist eine selbst gemachte Mahlzeit lieber.« Fergus biss sich auf die Lippe. Möglich, dass er ein Lächeln verbarg, aber Julias Sinn für Humor war etwas angeschlagen.
Sie nahm die Hände aus dem heißen Wasser. »Wie meinst du das, Hotelessen? Wer, glaubst du, hat dieses Essen gekocht? Die Küchenchefs aus dem ›Hilton‹?«
»Oh, ich weiß, dass du gekocht hast. Mir ist bloß dieser ganze Schnickschnack zuwider, Sahnehäubchen, Obstsplitter und Pfefferminzblättchen. Es ist einfach nicht das Gleiche wie gute Hausmannskost, wie zum Beispiel bei deiner Mutter.«
Was Julias Mutter kochte, war für gewöhnlich braun und reich an Ballaststoffen und kam auf riesigen Servierschüsseln daher. Man wurde schon vom Hinsehen müde. Fergus zog sie zweifellos auf. Aber obwohl sie das wusste, war sie zu erschöpft, um auch nur den Hauch eines Lächelns zustande zu bringen. Sie hatte unter äußerst schwierigen Umständen ein großes Essen gekocht, sie hatte alle Kniffe aus sämtlichen Fernsehkochstunden angewandt, die sie sich je angesehen hatte, angefangen von Meisterkoch bis hin zu In dreißig Lektionen zur perfekten Köchin, aber er wollte lieber eine Mahlzeit, die beim ersten Blick dazu verleitete, sie als Baustoff zu verwenden. Na schön, sollte er doch!
»Dir mag ja der Unterschied entgangen sein, Fergus, aber ich bin nicht meine Mutter. Und ich werde wahrscheinlich auch nie so sein wie sie. Entgegen all ihren Hoffnungen und Träumen ist es nicht der Gipfel meines Ehrgeizes, Ehefrau und Mutter zu sein und meinem die Brötchen verdienenden Gemahl und meinen wohlgenährten Kindern Hausmannskost aufzutischen! Hier geht es um professionelles Kochen!« Trotz ihrer Erregung kreuzte Julia hinterm Rücken die Finger, weil sie wusste, dass sie log.
Fergus sah sie mit einem halb verständnislosen, halb spöttischen Blick an, der in ihr den Wunsch weckte, ihm ihr Tranchiermesser in seine lebenswichtigen (zumindest für einen Mann lebenswichtigen) Organe zu rammen, aber er
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