Wellentänze: Roman (German Edition)
übrigen vier Passagiere an. Nachdem sie sich selbst und ihr Gepäck in die Kabinen gezwängt und den Vortrag über »die Benutzung der sanitären Anlagen« über sich hatten ergehen lassen, kamen sie im Gänsemarsch zurück in den Salon. Sie ließen sich vorstellen und beschlossen, ermutigt von der Herzlichkeit und Wärme der Bernsteins, einander gleich beim Vornamen zu nennen.
Alles schien gut zu laufen, daher kehrte Julia in die Kombüse zurück, um zu überprüfen, ob ihre Mousse auch wirklich fest wurde. Leider beschlossen die Bernsteins, noch einmal kurz einkaufen zu gehen, und nahmen ihren ansteckenden Enthusiasmus mit. Suzy war verschwunden, um irgendwo vielleicht noch Gasflaschen aufzutreiben, und hatte Julia die Verantwortung übertragen.
Die restlichen Gäste verfielen in ein peinliches Schweigen. Julia konnte förmlich sehen, wie die beiden Parteien jeweils zu dem Schluss kamen, dass die anderen Mitreisenden nicht ihr Typ seien und sie nicht miteinander warm werden würden. Da war zum einen das Ehepaar aus Norfolk; er hieß Norman, aber den Namen seiner Frau hatte Julia gleich wieder vergessen. Dann waren da noch zwei Frauen, Shakespeare-Begeisterte, die an einer Londoner Gesamtschule Englisch unterrichteten. Sie hießen Mabel und Miriam, aber Julia hatte nicht mitbekommen, wer von beiden wer war.
Niemand sprach ein Wort. Julia, die dringend ihre Vorbereitungen für das Dinner fortsetzen musste, fühlte sich verpflichtet, die Gäste bei Laune zu halten.
Nachdem all ihre Konversationsbemühungen wie Steine im Wasser versunken waren, fragte sie sich, ob irgendjemand wohl auch nur ein Lächeln zustande bringen oder eine Augenbraue hochziehen würde, wenn sie sich die Kleider vom Leib riss und auf dem Tisch tanzte. Das war der Stand der Dinge, als Fergus zurückkam.
Suzy hatte ihn ausgeschickt, um herauszufinden, wo die nächste Wasserstelle war und ob sie irgendwo am Fluss über Nacht anlegen konnten. Bei seinem Eintritt flehte ihn Julia im Stillen, leidenschaftlich um Hilfe an.
»Ein kleines Stück flussabwärts gibt es eine ganz entzückende Anlegestelle«, berichtete er. »Direkt gegenüber vom Theater. Aber ich habe überlegt, ob nicht vielleicht jemand Interesse an einer kurzen Stadtführung hätte? Vor dem Dinner? Ich hatte als Student mal einen Ferienjob in Stratford, daher kenne ich mich hier ziemlich gut aus; die offiziellen Führungen zeigen einem ja nur die Touristensehenswürdigkeiten.«
Keiner der vier Gäste konnte dem Gedanken widerstehen, das »geheime Stratford« zu sehen. Die Mienen hellten sich auf, Regenmäntel und Schirme wurden hervorgekramt, und man schickte sich allgemein an, sich zu amüsieren. Die Bernsteins, die gerade zurückkamen, als die anderen aufbrachen, zögerten ein wenig, noch einmal in die Stadt zu gehen, weil ihnen die Füße mörderisch wehtaten, aber Fergus pries seine Führung so verlockend an, dass auch die Amerikaner ihm lammfromm folgten. Sie hatten es gern, wenn man ihnen sagte, was sie tun sollten, erkannte Julia.
»Was für ein Held«, bemerkte Suzy. »Du meinst, er hat sie einfach allesamt fortgeschafft?«
Julia nickte. »Wie der Rattenfänger von Hameln. Hast du die Gasflaschen bekommen?«
Suzy zuckte leicht zusammen. »Ich fürchte, da gibt es ein kleines Problem.«
Julia hatte gerade noch Zeit, ihrem Entsetzen Ausdruck zu verleihen, bevor ein schmatzendes Geräusch aus der Kombüse kam. Die letzte Gasflasche hatte eben den Rest ihres Inhalts von sich gegeben.
»Das Dinner ist doch fast fertig, oder?«
Kapitel 7
S uzy hatte einen langen Tag gehabt: Jason war von der Bildfläche verschwunden, Fergus auf selbiger aufgetaucht, und die Saison hatte begonnen. In vollem Bewusstsein all dieser Dinge versuchte Julia Mitleid mit ihrer jungen Arbeitgeberin zu empfinden, konnte aber nur Zorn aufbringen. Das Dinner war keineswegs fast fertig. »Wo lag denn das Problem?«, fragte sie, während sie sich bemühte, sich mit tiefen Atemzügen zu beruhigen.
»Daddy hat meine Kreditkarte sperren lassen, deshalb konnte ich nicht zahlen.«
»Hättest du denn nicht mit Bargeld zahlen können?«
Suzy schüttelte den Kopf. »Das hat doch alles Jason genommen.«
»Und wie sieht es mit Geldautomaten aus?«
Suzy schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Karte für einen Automaten. Daddy sagt, wir leben in einer bargeldlosen Gesellschaft.«
Wenn »Daddy« ohne Gas oder Elektrizität ein Drei-Gänge-Menü für neun Personen kochen müsste, dachte Julia
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