Wellentänze: Roman (German Edition)
urteilen, dass Suzy nur Minuten später auftauchte, um die Keksdose zu plündern, musste er tatsächlich gut zurechtkommen.
»Fergus hat sich mal wieder als der Held der Stunde erwiesen«, verkündete Suzy, den Mund voller Krümel.
»Ach? Indem er dir die Ruderpinne abgenommen hat?«
Suzy sah sie seltsam an. »Nein. Weil es ihm gelungen ist, ganz genaue Angaben darüber zu bekommen, wie man zwei Kanalboote am besten den Fluss hinuntermanövriert. Hat er dir das nicht erzählt?«
»Nein.«
»Oh, hm, jedenfalls hat er die Angaben bekommen. Er hat ein paar Leute im Ruderclub zum Reden gebracht. Einer von denen kannte einen Mann, der vor Jahren mit Hotelbooten den Fluss befahren hat. Der Mann im Club hat Fergus sein Fahrrad geliehen, und Fergus ist zu ihm rübergefahren. Er hat alles genau aufgeschrieben.« Suzy nahm einen großen, braunen Umschlag aus ihrer Hosentasche. »Sieh mal.«
Julia sah. Lange, detaillierte Anweisungen, wie man sich jeder Brücke und jeder Schleuse auf dem Fluss zu nähern hatte, den ganzen Weg bis nach Worcester hinauf. Also war der Kerl wirklich ein schrecklicher Streber. »Seine Handschrift ist ziemlich blöd, findest du nicht auch?«
»Julia! Ich hätte nie gedacht, dass du so zickig sein kannst! Was hast du bloß gegen Fergus?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich hab’s dir erzählt. Ich habe ihn einfach von Kindesbeinen an gehasst.«
»Aber, er ist kein Kind mehr, und du bist auch keins. Komm zur Vernunft!«
»Okay«, räumte Julia ein. »Es war sehr clever und sehr nett von ihm, uns diese Angaben zu beschaffen, aber er hat trotzdem eine blöde Handschrift. Sie hat sich seit seiner Kindheit kaum weiterentwickelt.«
»Woher weißt du das?«
»Weil er meiner Mutter immer wunderbare Dankesbriefe für ihre Weihnachtsgeschenke geschrieben hat. Sie pflegte sie uns zu zeigen. Als Vorbild. Es ist kein Wunder, dass wir ihn schon hassten, bevor wir ihm das erste Mal begegneten.«
Suzy dachte nach. »So sehr es mir widerstrebt, dir Recht zu geben, das klingt tatsächlich eine Spur zu gut, um wahr zu sein.«
»Oh, glaub mir, als Kind war er perfekt.«
»Und wie ich schon einmal bemerkte: Er ist auch heute nicht weit davon entfernt, perfekt zu sein.« Ein feuchtes Geschirrtuch über die Schulter geworfen, stapfte Suzy davon.
Obwohl Suzys Aufforderung, Julia möge ihre Abneigung gegen Fergus endlich überwinden, mehr oder weniger im Scherz vorgebracht worden war, beschloss Julia tatsächlich, dem Mann in Zukunft etwas freundlicher zu begegnen. Er tat ihnen schließlich einen großen Gefallen, und es war nicht seine Schuld, dass er so war, wie er war, dafür trug seine Mutter die Verantwortung. Und ihre Mutter mit ihren so entsetzlich plumpen Versuchen, sie beide zu verkuppeln – wie sie es auch jetzt wieder getan hatte, indem sie ihr Fergus auf den Hals gehetzt hatte. Sie durfte ihre Wut nicht an ihm auslassen. Als Julia daher ein paar wonnevolle Augenblicke Freizeit hatte, bevor sie über einen Salat nachdenken musste, der zu der Quiche Lorraine passte, ging sie durch den Motorraum zu Suzy und Fergus. Suzy steuerte, und Fergus saß ihr gegenüber, die Arme um die Knie geschlungen, und sah sie an.
»Hallo!« Julia lächelte so breit, wie sie das bei dem scharfen Wind nur fertig brachte. Es war schwer, sich in der kameradschaftlichen Atmosphäre, die zwischen den beiden herrschte, nicht ausgeschlossen zu fühlen, obwohl es ihre eigene Schuld war, dass die beiden zu einem Team geworden waren, zu dem sie nicht gehörte. »Ich wollte nur mal kurz frische Luft schnappen. Es ist ziemlich warm unten in der Küche.«
»Übernimm mal das Ruder. Das hast du noch nicht versucht, wenn die Boote nebeneinander fahren«, meinte Suzy.
Julia ließ sich vom Dach hinunter. Der Fluss wirkte beängstigender als der Kanal, obwohl er an manchen Stellen kaum breiter war. Sie griff mit spitzen Fingern nach der Ruderpinne.
»Es ist wirklich ganz einfach«, beteuerte Suzy ihr. »Du wirst es schnell lernen. Es ist wie Autofahren.«
»Ich habe noch kein Auto gefahren.«
»Was, nie?« Fergus schien maßlos erstaunt zu sein. »Warum nicht?«
»Als ich jünger war, konnte ich es mir nicht leisten, den Führerschein zu machen, und als ich älter war, war es nicht notwendig. Und jetzt bin ich wahrscheinlich zu alt, um es zu lernen.«
»Unfug«, widersprachen Suzy und Fergus wie aus einem Mund. »Du solltest ein Auto fahren können«, fuhr Suzy fort. »Es ist eine elementare Fähigkeit im Leben. Wie man
Weitere Kostenlose Bücher