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Wellentänze: Roman (German Edition)

Wellentänze: Roman (German Edition)

Titel: Wellentänze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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haben ihn gehasst, und ich glaube nicht, dass er besonders viel für uns übrig hatte.«
    »Warum ist er dann hier aufgetaucht?«
    »Weil meine Mutter ihn gebeten hat, mir ein Kochbuch zu bringen, und weil sein Auto eine Panne hatte!«
    Oscar stieß einen undefinierbaren Laut aus. Julia sinnierte über die Tatsache, dass die Wahrheit so oft nach einer Lüge klang und dass Lügen sich häufig wahr anhörten. »Ich weiß, du glaubst mir nicht, aber es stimmt.«
    Und darin war eine kleine Spur Unehrlichkeit enthalten.
    Bei den vorangegangenen Fahrten hatten sich die neuen Passagiere immer spätestens bis Sonntagabend so weit eingelebt, dass man sich wie eine Art Familie fühlte. Aber bei den Schulkindern lag der Fall anders. Zunächst einmal war die Fahrt einfach nicht ihr Ding. Sie waren zwischen dreizehn und sechzehn Jahre alt und wollten alle Fast Food, laute Musik und alkoholische Getränke. Orangensaft, liebevoll zubereitetes Gemüse und landschaftliche Reize konnten sie nicht für fehlende Discolichter und Alkohol entschädigen. Es waren insgesamt sechs Kinder, und sie wurden von einer Lehrerin und einem Lehrer begleitet. Die Lehrerin, Sylvia, kam zu Julia in die Kombüse, als diese gerade Kartoffeln schälte.
    »Unsere Direktorin hält sehr große Stücke auf Klassenfahrten und dergleichen. Sie glaubt, so etwas forme den Charakter. Und sie kann einfach nicht verstehen, warum Kinder keine Lust haben, klatschnass zu werden und sich halb tot zu frieren, und warum Lehrerinnen nicht daran interessiert sind, das von den Kindern zu verlangen. In ihren Augen ist dies hier nicht erste Wahl.«
    »Manche«, entgegnete Julia steif, »sehen ein Hotelboot eher als ziemlich gutes Hotel an und nicht als eine Art Campingplatz im schottischen Gebirge mitten im Winter.«
    Sylvia kicherte. »Aber bestimmt nicht diese Frau in dem Strickkostüm.«
    Das musste Julia mit kläglicher Miene zugeben. »Nein, hm, sie ist die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt. Also, ich kann keine Pommes frites servieren, weil sonst Mrs. Anstruther, die Dame in dem Kostüm, stöhnen wird. Aber wenn ich sautierte Kartoffeln mache – was sagen dann die Kinder dazu?«
    »Sie werden begeistert sein. Aber ich finde nicht, dass Sie sich ihretwegen so viel Mühe machen sollten. Undankbare Bälger, durch die Bank. Ihre Eltern haben so viel Geld ausgegeben, um sie hierher zu schicken, und sie wollen nicht einmal einen Spaziergang über den Treidelpfad machen.«
    Julia hatte das gleiche Thema mit Suzy erörtert, als sich die ganze Meute am ersten Abend geschlossen in den Schmollwinkel zurückgezogen hatte, weil ihre Lehrer ihnen verboten hatten, Lager-Bier zu trinken. Suzy hatte geseufzt.
    »Ich nehme an, ihre Eltern wollten sie einfach ein paar Tage los sein. Viele Leute wissen gar nicht, was sie ihren Kindern antun.«
    Julia bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil sie sich über das ständige Gesumm sechs verschiedener Kopfhörer geärgert hatte und weil keines der Kinder ihr Essen zu würdigen wusste.
    Jetzt sagte sie zu Sylvia, die kaum älter zu sein schien als ihre Schutzbefohlenen: »Vielleicht hatten sie keine Lust herzukommen.«
    »Wahrscheinlich nicht. Sie sollen an einem Projekt zum Thema ›Industriearchäologie‹ teilnehmen. Bill, mein Kollege, hält praktische Erfahrungen für ungemein wichtig, jedenfalls für wichtiger als die reine Theorie. Aber das heißt nicht ...«
    Genau in diesem Augenblick erklang ein Schrei, und Sylvia stürzte aus der Kombüse, um nach zusehen, was passiert war. Julia blieb allein zurück und machte sich daran, fünf Pfund Möhren zu schälen.
    Aber nach den beiden ersten Tagen passten die Kinder sich langsam an. Sie verstanden, dass es den anderen gegenüber unfair war, stundenlang unter der Dusche zu stehen, obwohl Mrs. Anstruther, die sich für die einzige Person an Bord hielt, die eine vernünftige Erziehung genossen hatte, das ebenfalls tat. Die jungen Leute lernten, dass es weniger langweilig war, mit anzufassen, als sich zu drücken, und dass Lehrer bemerkenswert diskret mit Schülern umgehen konnten, die rauchten, solange sich diese zu diesem Zweck weit genug von den Nichtrauchern entfernten. Wenn sie viel Aufhebens darum gemacht hätten, darüber war man sich allgemein einig, würden die Teenager nicht über Nacht Nichtraucher werden; sie würden lediglich heimlich rauchen.
    »Ich glaube, Mrs. Anstruther war es lieber, als die Kinder überall im Boot herumgelaufen sind und sich danebenbenommen haben. Da

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