Wellentänze: Roman (German Edition)
Essen auf, räumten hastig wieder ab und arrangierten dann einen Hocker, ein großes Stück Hartholz und eine Decke so, dass sie einen provisorischen Kartentisch erhielten.
»Ich lasse die Sherry-Karaffe draußen«, meinte Julia, »falls Sie später noch Lust auf ein Schlückchen haben sollten. Der Sherry geht aufs Haus«, fügte sie hinzu.
Es war eine große Erleichterung, dass gerade diese Gäste so selbstgenügsam waren. Solange sie nur bequeme Stühle, gutes Licht und ihre Karten hatten, waren sie absolut zufrieden.
Endlich erschien ein Auto auf der Straße. Suzy und Jason standen beide sofort auf. Sie sahen dem Wagen nach, als er verschwand, und die ganze Gruppe wartete darauf, ob er für immer weitergefahren oder nur irgendwo geparkt hatte. Nach einer Zeit, die ihnen wie eine Ewigkeit erschien, tauchten einige Leute auf dem Treidelpfad auf.
»Oh, seht nur!«, rief Suzy aufgeregt. »Das ist Daddy! Er hat Ralph hergebracht. Jetzt werden wir sehen, wie du auf die Nase fällst, wenn du es mit einem richtigen Mann zu tun bekommst!«
Jason drehte sich verwirrt zu Suzy um. »Das ist nicht dein ›Daddy‹, Prinzessin. Das ist Max Boyd, der Typ, der die Boote kauft.«
Suzy warf Jason einen Blick von absolutem Entsetzen zu, und Julias Herz krampfte sich vor Mitleid zusammen. Der Gedanke, dass Suzys Vater ihr die Boote sozusagen unterm Hintern wegkaufte, um seinen Willen durchzusetzen, war so schrecklich, dass Julia übel wurde.
»Daddy«, rief Suzy, als Ralph, Joan und ihr Vater näher kamen. »Jason sagt, du hättest die Boote gekauft. Ist das wahr?«
»Hör mal, Süßes, reg dich nicht auf. Es ist alles nur zu deinem Besten.« Max Boyd war ein hoch gewachsener Mann mit gewölbter Brust und einer Menge dichten, grauen Haares. Er trug einen Anzug und eine Krawatte, die sich ebenso wie ihr Träger in einem Vorstandszimmer heimischer fühlten als auf einem Kanalboot.
Suzy und die anderen sprangen an Land, und ihr Vater umarmte sie. Suzy zuckte zwar nicht gerade zurück, aber sie erwiderte seine Umarmung auch nicht.
»Himmel, ich hatte keine Ahnung, dass er ihr Dad ist«, meinte Jason leise zu niemand Bestimmtem.
»Setzen wir uns doch an Deck«, schlug Julia vor, da es so aussah, als würden sie allesamt den ganzen Abend auf dem Treidelpfad herumstehen und ihre Geheimnisse mit abendlichen Joggern und Fahrradfahrern teilen.
»Wir könnten auch in die Kajüte auf dem hinteren Boot gehen«, meinte Ralph.
»Nein, das können wir nicht«, fuhr Suzy auf. »Die ist viel zu klein, und außerdem ist es da drinnen so warm wie in einem Backofen.« Obwohl sie zurzeit unter Schock stand, wusste sie, dass die Kajüte auf dem hinteren Boot ihre Affäre mit Wayne verraten würde. Julia bewunderte sie für ihre Geistesgegenwart. Die Dinge waren auch so schon kompliziert genug.
Mel stahl sich davon, nachdem sie irgendetwas von Briefen gemurmelt hatte, die sie noch schreiben müsse; Wayne hockte sich aufs Dach, und alle anderen nahmen im Vorschiff an Deck Platz. Jason, Lisa und ihr Muskelprotz setzten sich auf Festmacherleinen, die zusammengerollt auf dem Vorderdeck lagen. Wahrscheinlich hatten sie das Bedürfnis, sich ein wenig von der kleinen Familienzusammenkunft zu distanzieren.
Julia fragte sich, ob sie sich nicht vielleicht wie Mel davonschleichen sollte, aber Suzy umklammerte ihren Arm. »Nein! Lass mich nicht im Stich!«, flüsterte sie.
»Ich will nur mal nachsehen, ob es unseren Passagieren auch an nichts fehlt.« Julia bedachte Suzys Vater und Jason mit einem säuerlichen Blick, weil die beiden offensichtlich vergessen hatten, dass die Passagiere nicht durch Übernahmeverhandlungen, Firmenverkäufe und ähnliche Dinge gestört werden durften.
»Du verstehst nicht, Häschen«, meinte Suzys Vater gerade, als Julia, nachdem sie die Sherry-Karaffe der Gäste wieder aufgefüllt hatte, zu den anderen zurückkehrte. »Ich habe die Boote gekauft, weil ich wusste, du würdest Ralph nicht im Stich lassen wollen.«
»Und?«
»Mir war klar, dass du es niemals schaffen würdest, sie zu kaufen, egal wie sehr du dich bemühst. Du hast dich wacker geschlagen, und ich bin stolz auf dich, aber es ist Ralph gegenüber nicht fair, ihn auf das Geld warten zu lassen, obwohl du keine echte Chance hast, ihm die Boote abzukaufen.«
»Ralph hat sich von seiner Operation nicht so schnell erholt, wie wir es gern gesehen hätten«, schaltete Joan sich ein. »Und Max hat uns ein sehr großzügiges Angebot gemacht.«
»Und du möchtest doch
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