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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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und die erfrischende Brise hinausgreifen wollen, dorthin, wo der Regen auf den Luftströmen schwamm wie ein Schwarm glänzender Fische. Dies war nur ein kleiner, örtlich begrenzter Schauer. Und durchaus innerhalb der Reichweite ihrer Macht.
    Wenn sie die Macht noch hatte.
    Wenn sie noch eine Selkie war.
    Wenn ihr Kopf nicht so schmerzen würde.
    Sie runzelte konzentriert die Stirn, prüfte den Luftstrom, den sich sammelnden Niederschlag. Sie fühlte, wie die Macht in ihren Lenden anwuchs, bis sie schwanger damit war, bis es durch ihren Magen rieselte und gegen ihre Lungen drückte, bis es aufstieg und sie ganz erfüllte. Sie öffnete keuchend den Mund.
    Wasser war ihr Element, rief sie sich in Erinnerung. Der Regen strömte ihr Gesicht herab und durchnässte ihr Kleid. Alles, was nötig war, war ein Schieben hier, ein Atmen dort, eine winzige Temperaturanpassung …
    Ah.
    Etwas gab nach, in ihrer Brust und den Lenden und hoch in der Luft über ihrem Kopf. Die Macht beeilte sich, die Lücke zu schließen, und schoss von ihr empor in den Himmel.
Da. Jetzt.
    Au. Au. Au.
    Schmerz – zuckend, stechend – sägte ihren Kopf entzwei und ließ sie leer zurück. Leidend. Margred schwankte und griff nach dem Türknauf, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
    Lucy kam ihr zu Hilfe. »Komm. Komm rein. Setz dich.«
    Margred erlaubte sich, an Lucys Schulter Halt zu suchen, erlaubte es Lucy, sie hohl, willenlos und tropfend, wie sie war, zu einem Stuhl zu führen. Hatte sie …?
    »Du bist ganz nass«, schimpfte Lucy, als würde sie zu einem Kind sprechen. »Was hast du dir dabei gedacht? Es regnet.«
    Margred blinzelte. Ihr Kopf hämmerte. Aber durch den Nebel in ihrem Gehirn konnte sie die Veränderung im Himmel über ihrem Kopf spüren, den Wechsel im Luftdruck, die Bewegung des Wasserdampfs.
    Das Anschwemmen von Magie.
    Halb blind vor Schmerz und Triumph hob sie das Gesicht und lächelte. »Nicht mehr lange«, entgegnete sie.

[home]
    9
    C alebs Handy vibrierte an seinem Gürtel. Er griff danach. Die andere Hand ruhte auf dem Lenkrad und seine Aufmerksamkeit auf der nassen Straße.
    War das Edith, die irgendein kleineres Vergehen meldete, um das sich der Chief kümmern sollte?
    Oder Antonia mit noch einer Beschwerde?
    Er warf einen Blick auf das Display und erkannte die Nummer auf dem winzigen Bildschirm. Sein Pulsschlag beschleunigte sich.
    Lucy,
dachte er.
    Und dann, begleitet von einem weiteren Adrenalinstoß:
Maggie.
    Visionen von Hirnblutungen und gewalttätigen Ex-Freunden schossen ihm durch den Kopf.
    Er drückte mit dem Daumen auf die Taste mit dem grünen Hörer. »Was ist los?«, bellte er.
    »Nichts«, erwiderte Lucy zögernd. »Ich wollte nur … äh …«
    Nichts war los.
Er lockerte den Griff um das Lenkrad.
    Als Detective hütete er sich normalerweise davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Oder seine Schwester anzufahren. Der Schlafmangel ging ihm wohl allmählich an die Nieren.
    Nein, Maggie ging ihm an die Nieren.
    »Sorry«, sagte er zu seiner Schwester. »Was gibt’s?«
    »Ich … äh … Es hat aufgehört zu regnen.«
    Er sah durch die tropfenübersäte Windschutzscheibe nach Osten, wo die Bewölkung aufzureißen begann. »Das sehe ich.«
    »Ja. Na ja. Maggie will wissen, wann du sie an den Strand fährst.«
    Er konnte nicht zulassen, dass sein Privatleben seine Ermittlungen störte. Obwohl ein kleiner Ausflug an den Strand beiden nützlich sein konnte. Vielleicht würde die Rückkehr an den Tatort bei Maggie Erinnerungen an den Überfall wecken. Gott wusste, dass er im Augenblick nichts in der Hand hatte, womit sich etwas anfangen ließ.
    »Bald«, antwortete er. »Wie haltet ihr euch beide?«
    »Mir geht es gut. Maggie tut der Kopf immer noch weh. Ich habe sie überredet, sich hinzulegen, während ich ihr Kleid in den Trockner stecke.«
    »Was?«
    Seine Schwester seufzte. »Das ist ein bisschen kompliziert.«
    »Okay. Dann bis später«, beendete er das Telefonat und legte auf.
    Er konnte keine Komplikationen gebrauchen. Er war auf der Suche nach einem einfachen, normalen Leben nach World’s End gekommen, um Wurzeln zu schlagen oder zu ihnen zurückzukehren.
    Maggie war eine Fremde ohne Bindung an diese Insel. Überhaupt ohne jede heimatliche Bindung. Sie erinnerte sich nicht einmal an ihre Vergangenheit.
    Oder vielleicht lief sie auch davor weg. Er konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, dass sie den Mann kannte, der sie angegriffen hatte.
    Von welchem Blickwinkel aus man es auch

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