Wellenzauber
Federico einander nur begegnen müssten, um die alten schmerzenden Wunden zu schließen und um ein neues glückliches Leben miteinander zu verbringen.
Zu dumm nur, dass sie dabei einen Punkt völlig übersehen hatte, oder, genauer gesagt: eine Frau. Lorella. Schon seit Tagen war Martha klar, dass sie Lorella völlig unterschätzt hatte, und Federico, dieser Dummkopf, merkte nichts. Mit ihrem neuesten Gefasel von guter Freundschaft hatte Lorella ihn komplett eingewickelt. Jetzt verbrachte sie mehr Zeit mit ihm als während ihrer Beziehung. Sie war zu seinem Schatten geworden. Seit vorgestern begleitete sie ihn sogar zu Hausbesuchen, weil sie behauptete, sie wolle im Herbst ein Medizinstudium aufnehmen. An Federicos Seite könne sie schon ein wenig praktische Erfahrungen sammeln.
Maledizione! Nicht ein Wort glaubte ihr Martha. Lorella hatte instinktsicher in Sina die Nebenbuhlerin der etwas anderen Art erkannt, und nun tat sie alles, um eine Begegnung zwischen Sina und Federico zu verhindern. Nicht aus Liebe, davon war Martha überzeugt. Aus reiner Rachsucht! Bestimmt hatte sie längst herausgefunden, wer Sina war und wie lange sie auf der Insel bleiben würde. Eine Woche lang war sie schon erfolgreich gewesen, jetzt musste sie nur noch eine weitere Woche durchhalten, dann würde Sina wiederabreisen, und Federico würde nie erfahren, wie nah sie ihm gewesen war.
Mehr als einmal war Martha versucht gewesen, ihm einfach alles zu erzählen. Dann hätte er Lorella zum Teufel schicken können und wäre vielleicht auf dem schnellsten Weg zu Sina gefahren. Aber ein leiser Zweifel hatte sie jedes Mal davor zurückgehalten. Und wenn nicht? hatte sie sich gefragt. Wenn Federico am Ende auf Martha böse wurde, weil sie sich in sein Leben einmischte? Nein, das wollte sie nicht riskieren. Und wenn er dann aus lauter Zorn nicht einmal Sina sehen wollte? Dann wäre alles umsonst gewesen. Federico war ein stolzer Mann, da schlug der sardische Teil seiner Familie durch. Er würde sich wie eine Marionette in Marthas persönlichem Theater fühlen und dabei glatt übersehen, dass sie es wirklich gut mit ihm meinte.
Die einzige Chance bestand in einer plötzlichen Begegnung von Sina und Federico. Die Frage war nur, wie sie das bewerkstelligen sollte.
Martha nagte immer noch an ihrer Unterlippe und hörte eher geistesabwesend die Stimme von Professor Haber: »Wirklich überzeugt klingst du aber nicht. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich eine meiner besten Hebammen wiederbekomme. Am besten mit einem hervorragenden Gynäkologen dazu.«
»Da kannst du hoffen, bis du schwarz wirst«, erwiderte Martha giftig und beendete schnell das Gespräch. Aber sie hörte noch sehr deutlich das siegessichere Lachen von Professor Haber.
Eine Stunde später war Martha Tommasini mit ihren Überlegungen noch keinen Schritt weiter. Schließlich stieg sie in ihren alten Fiat 500 und machte sich auf den Weg zur VillaMargherita. Vergeblich klopfte sie an die Zimmertür der beiden jungen Hebammen. Endlich fand sie im Garten Kerstin, die eng umschlungen mit einem gutaussehenden jungen Mann auf einer Bank saß und aussah wie das personifizierte Glück. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sie Martha überhaupt wahrnahm und sich mit einem bedauernden Lächeln von dem jungen Mann trennte.
»Das ist Dr. Florian Weiß. Er ist mir nachgereist. Bis nach Sardinien!«
»Wie schön«, erwiderte Martha und ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken. Hier waren nun zwei Menschen glücklich, doch es waren die falschen – zumindest was Marthas ganz persönliche Pläne betraf. Aber sie lächelte freundlich und reichte dem jungen Arzt die Hand. Dann wandte sie sich wieder an Kerstin. »Wo kann ich Sina finden?«
»Sina?« Einen Moment schien Kerstin die Existenz ihrer Freundin vergessen zu haben, aber sie fing sich schnell. »Ich weiß nicht. Ich habe sie seit dem Frühstück nicht gesehen. Schätze mal, sie ist an den Strand gegangen. Soll ich sie anrufen?«
»Ja bitte, und geben Sie mir bei der Gelegenheit auch gleich ihre Handynummer.«
Kerstin erwischte nur Sinas Mailbox und hob bedauernd die Schultern. »Bestimmt hält sie Zwiesprache mit dem Meeresgott.«
»Wie bitte?«
»Sie schwimmt sehr viel.«
»Verstehe. Dann gehe ich runter zum Strand und suche sie.«
»Sollen wir mitkommen?«
»Nicht nötig.«
»Aber wenn es etwas Wichtiges ist …«
»Eigentlich … nein, ich wollte nur noch einmal mit ihr reden.«
Kerstin nickte, doch Martha konnte ihr
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