Wellenzauber
mein Herz zwar trotzdem gebrochen, aber ich werde wenigstens schön braun.«
Angesichts solch unerschütterlicher Logik lachte Sina laut heraus.
»Hast du etwas von Florian gehört?«, fragte sie dann. Sie wollte einfach mal einen Moment weder über Federico noch über Martha nachdenken. Schon gar nicht über die imposante Lorella.
»Nee!« Kerstin rammte die Gabel in ihr Rührei, als sei es das hübsche Antlitz von Dr. Florian Weiß.
Seit einer Woche hoffte sie, er würde durch ihre Abwesenheit begreifen, was er an ihr hatte. Mit jedem Tag, der ohne Anruf, ohne SMS verging, verschwand diese Hoffnung ein wenig mehr. Sie verzog angewidert das Gesicht und schob ihren Teller weg. Der Kellner kam mit ihrer Bestellung, sie winkte ihn fort.
»Musst du mir eigentlich alles nachmachen?«, fragte Sina und zerbröselte den Rest ihres Brötchens auf dem Teller.
»Was?«
»Ich bin diejenige, die nichts mehr essen kann, wenn sie an den Mann ihres Herzens denkt.«
»Ist wohl ansteckend«, erwiderte Kerstin feixend. Wieder hob sie die Hand, um den Kellner fortzuwinken. Sina sah auf, erkannte die Gestalt hinter ihrer Freundin und sperrte vor Überraschung den Mund auf.
»Die Männer können einem wirklich auf den Magen schlagen«, fuhr Kerstin fort.
»Das will ich doch nicht hoffen«, sagte die Gestalt hinter ihr. »Du gefällst mir nämlich so, wie du bist.«
Kerstin stieß einen Schrei aus und sprang auf. Ein paar alte englische Damen am Nebentisch verzichteten darauf, indigniert zu gucken. Bei diesem german girl musste man auf alles gefasst sein. Sie putzten lieber schnell ihre Brillen, um genau mitzubekommen, wie diese stets etwas zu laute junge Frau jetzt ihrem Besucher um den Hals fiel und ihn schmatzend abküsste. Die Ladys bekamen vor Rührung plötzlich feuchte Augen und erinnerten sich an damals, als sie selbst jung und verliebt gewesen waren. Von nun an würden sie dem Mädchen sein unmögliches Benehmen nachsehen.
Sina fühlte sich merkwürdig. Wie versteinert. Ein Teil von ihr freute sich für Kerstin, die an Florians Hals hing und ihr Glück gar nicht fassen konnte. Ein anderer Teil blieb seltsam gefühllos, so als müsste sie sich bei diesem Anblick schützen, um nicht zu zerbrechen.
»Du bist mir nachgereist!«, stellte Kerstin gerade zum zehnten Mal fest. »Bis nach Sardinien! Du! Mir!«
Florians Gesicht hatte eine zartrosa Tönung angenommen. »Ähm, ja. Sieht so aus.«
Auf einmal löste sich Sina aus ihrer Erstarrung und grinste breit. Florian würde sich daran gewöhnen müssen,dass Kerstin nicht zu den leisen, zurückhaltenden Frauen gehörte. Aber das würde er schon schaffen.
»Herzlich willkommen«, sagte sie und stand auf.
»Oh, hallo, Sina.« Er wirkte einen Moment verlegen, aber dann verschwand sein Kopf wieder in Kerstins Umklammerung.
»Na, ich gehe dann mal«, sagte sie noch. Keiner der beiden hörte sie.
Martha Tommasini stieß einen leisen Fluch aus, als sie die deutsche Telefonnummer auf dem Display ihres Handys erkannte. Der schon wieder, dachte sie und fuhr sich müde über die Augen. Ein, zwei Sekunden lang war sie versucht, das Gespräch wegzudrücken, aber sie wusste, er würde nicht lockerlassen.
»Pronto!«, meldete sie sich mit einer Stimme, die normalerweise panischen Erstgebärenden einen solchen Schrecken einjagte, so dass sie schlagartig vergaßen, wovor sie eben noch Angst gehabt hatten.
Der Anrufer ließ sich allerdings nicht einschüchtern. »Na endlich, du bist ja schwerer zu erreichen als der König von Italien.«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Der hat nach dem Krieg abgedankt und ist inzwischen gestorben. Aber sein Enkel, der schöne Prinz Emanuele Filiberto von Savoyen, tritt manchmal im Fernsehen auf und wird von sämtlichen Italienerinnen im Alter über zehn Jahren geliebt. Soll ich dir seine Nummer besorgen?«
Auch ihr Spott prallte an ihm ab.
Professor Reinhold Haber ließ sie einfach ausreden, wartete ab, bis sie Luft holen musste, und fragte dann: »Und? Wie läuft es mit deiner kleinen Intrige? Hast du die beidenLiebenden schon miteinander verkuppelt? Ich rechne fest mit einer Einladung zur Hochzeit.« Er schickte ein unechtes Lachen hinterher.
»Es könnte nicht besser laufen«, erwiderte Martha mit ihrer strengen Hebammen-Stimme. In Wirklichkeit war das genaue Gegenteil der Fall, aber das musste der Professor nicht wissen. Martha biss sich nervös auf die Unterlippe. Dabei hatte sie alles so schön geplant! Sie war sicher gewesen, dass Sina und
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