Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
Vom Netzwerk:
einen schwarzen Panther, im Sprung gestreckt. Dazwischen rankten sich verschlungene Girlanden umeinander.
    Mein Herz trommelte gegen meine Rippen. War ich einerseits bestürzt über Zorns Alkoholrückfall, spürte Mitleid mit ihm in seiner verzweifelten Lage, so empfand ich andererseits in diesem Moment unleugbar auch Erleichterung. Denn nun hatte ich einen hinreichenden Anlass, um diesen Mann wieder hinter Gitter zu bringen. Zweifelte ich doch inzwischen an seiner Unschuld im Mordfall Hausmann ebenso wie an der Harmlosigkeit seines Hobbys. Natürlich war jeder Gedanke an die tote Frau, die ich nicht gekannt hatte, abstrakt, doch die Angst, die ich um Ellen verspürte, war überaus konkret und verschmolz in meinem Inneren mit dem Misstrauen Zorn gegenüber zu wilder Entschlossenheit.
    Mir schien, als bliebe mir gar nichts anderes übrig, als seinen massiven Auflagenverstoß dem Gericht zu melden. Auf dem Weg nach Hause hielt ich beim   Gänseblümchen , dem Blumenladen am Alten Hafen, den Ellen und ich stets scherzhaft   Pusteblume   nannten, und kaufte ihr einen großen Strauß Sommerblumen.
    ***
    Mein Rad holperte über das Kopfsteinpflaster der pittoresken Weberstraße, in der riesige Rosenbüsche an den Hauswänden emporwuchsen und die so eng war, dass ich hier stets den Einruck hatte, ich könne mit ausgestreckten Armen die Häuser auf beiden Seiten der Straße erreichen. Im Innern der schmalen Altstadtbauten gab es schöne und interessante Dinge zu entdecken: ein Knopfmuseum, ein Buchantiquariat, ein Bio-Hotel und das winzige   Café Glücklich , das ich nun ansteuerte. Es war, wie immer in der Sommersaison, bis auf den letzten Platz besetzt. An den beiden winzigen Tischen auf dem Gehsteig vorbei, durchquerte ich mit wenigen Schritten den Hauptraum mit dem imposant verzierten Kachelofen, der weiß lackierten, alten Vertäfelung und den vier Holztischen. Im hinteren Raum, in der Ecke gleich beim Tresen, auf dem sich in der Vitrine die hausgemachten Kuchenkreationen ge-genseitig den Rang an Appetitlichkeit abliefen, saß die Lesebühnenchefin Beate, winkte mir zu und hatte den zweiten Stuhl an dem runden Tischchen für mich freigehalten.
    »Tach, Weller.« Wie alle Kulturinteressierten in dieser Stadt kannten wir uns, man begegnete sich einfach ständig – sei es bei einer Ausstellungseröffnung, einem Konzert oder eben einer Literaturlesung. Näher kennen gelernt hatten wir uns dann vor einigen Monaten. Damals hatte Beate Ellen als Abendgast zu einer Lesebühnenveranstaltung mit dem Titel   Stein und Bein   eingeladen, um mit ihr ins Gespräch über ihre künstlerische Arbeit zu kommen.
    »Einen lieben Gruß von Ellen. Sie hofft, sie hat damals eine bessere Figur auf eurer Lesebühne gemacht als dieser fernfahrende Jungautor.«
    Sie grinste und ihre Nase legte sich in lustige Fältchen.
    »Na, wenn sie sonst keine Sorgen hat. Der war doch ganz knuffig.« Beate Reinacker war die unprätentiöseste Bühnenakteurin, die mir je begegnet war. Sie konnte nur wenige Jahre jünger sein als ich selbst, sah jedoch an manchen Tagen mit ihren langen Haaren und den legeren Klamotten aus wie eine etwas verlebte Enddreißigerin. Sie kleidete sich farbenfroh und konsequent nicht nach der herrschende Mode, verfiel dabei aber nur selten in extravagante Experimente. Sie war einfach sie selbst: klar, direkt und sicher im eigenen Urteil.
    »Du wolltest mit mir über einen unserer Gäste sprechen? Etwa den Kinderbuch-Knaben?« Sie richtete ihre grünen Augen neugierig auf mein Gesicht. Im letzten Teil der Veranstaltung gab es jeweils eine   Open Stage , in der jeder für einige Minuten die Bühne erklimmen und etwas selbst Gedichtetes vortragen konnte. Beim letzten Mal war das, außer einer Krankenschwester mit Hang zu schwülstiger und noch dazu gereimter Liebeslyrik, ein Student im fortgeschrittenen Semester gewesen, der putzige Kindergeschichten schrieb.
    »Hast du neuerdings Interesse an Kinderliteratur?« Beate zwinkerte mir zu. »Habe ich da bei dir und Ellen irgendetwas verpasst?«
    Ich stellte richtig, um wen es mir ging, und blieb halbwegs bei der Wahrheit, erzählte ihr von meinem Interesse an der Berufswelt der Fernfahrer, das mit einem meiner Klienten zusammenhing und auf das ich aus genau diesem Grund nicht näher eingehen konnte.
    »Ach so, Enrico.« Beate schien ein wenig enttäuscht, der Wismarer Gerüchteküche nun – guten Gewissens – nichts über anstehenden Nachwuchs im Hause Weller einverleiben zu

Weitere Kostenlose Bücher