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Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
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Datum und Uhrzeit. Scham und Verlegenheit ließen mich nach Luft schnappen.
    »Wir haben einen Hinweis von den Mitarbeiterinnen aus dem betreffenden Drogeriemarkt im   Burgwallcenter   bekommen, dass sich dort ein unbekannter Mann verdächtig häufig und vor allem stets unnötig lange aufhält, wobei er kaum etwas kauft. Die waren durch unsere Befragungen zu der Foto-CD aufmerksam geworden und dachten, dass dieser Mann vielleicht etwas mit dem Fall zu tun haben könnte.« Nun grinste der Kriminalbeamte breit. »Wir haben die Sache auf sich beruhen lassen, kann ich Ihnen mitteilen. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit, natürlich.«
    Peinlich, peinlich.
    »Nichts für ungut«, verabschiedete mich Hauptkommissar Luckow und streckte mir seine Hand entgegen. »Ich muss dann mal wieder an die Arbeit.«
    Nicht nur dieses äußerst ernüchternde Ergebnis meiner Unterredung mit Luckow lag mir wie ein Bleiklotz im Magen, sondern auch meine hektische, ergebnislose Durchsuchung von Zorns Wohnung, deren Auflösung ich, als sein Bewährungshelfer, übernommen hatte.
    Ich war vor der Polizei dort gewesen, da er den Zweitschlüssel seiner Wohnung schon lange bei mir deponiert hatte. Doch ich hatte keine belastenden Fotos gefunden – weder in seiner Kamera noch auf anderen Datenträgern. Inzwischen war seine Habe eingelagert, bis er selbst entschieden hätte, was mit ihr geschehen sollte. Mir ging es schlecht bei dem Gedanken, dass ich ihm – ebenso wie die unsäglichen Montagsdemonstranten – keine Chance gegeben hatte. Ich war als Hobbydetektiv ebenso untauglich, wie ich mir inzwischen als Bewährungshelfer vorkam. Ich war meinen eigenen Vorurteilen aufgesessen. Ich, der ich mir so viel auf meine durch Objektivität geprägte Haltung zu allem und jedem einbildete, hatte mich von meiner Angst um Ellen völlig verblenden lassen, hatte aus Bequemlichkeit die falschen Schlüsse gezogen und war Wolfgang Zorn der denkbar schlechteste Berater gewesen.
    Vergeblich sagte ich mir, einzig und allein er selbst wäre für seinen Alkoholrückfall verantwortlich. Nein. Hätte er nicht längst das Vertrauen in mich verloren, widerlegte ich mich sofort selbst, hätte er nicht instinktiv gespürt, dass ich ihn verdächtigte, ihn insgeheim fallen gelassen hatte, hätte er sich nicht so völlig vor mir verschlossen und wir wären bestimmt gemeinsam zu einer verträglicheren Lösung seiner bedrückenden Probleme gekommen. Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit war er nicht der Spannerfotograf, dessentwegen ich seit Wochen verrückt spielte; dass er als der   Säuremörder   im Falle der toten Studentin weiterhin verdächtig blieb, tröstete mich kaum.
    Meine Schuldgefühle belasteten mich, machten mich niedergeschlagen und verzagt. Und ich konnte nicht einmal mit irgend jemandem darüber reden. Ellen weigerte sich kategorisch, sich noch eine Minute länger mit dem Mordfall zu beschäftigen. Wir hatten einen ernsthaften Streit darüber gehabt, in dessen Verlauf sie mich angefaucht hatte: »Lass mich mit diesem ganzen morbiden Scheiß in Ruhe. Mit deinen Verbrechern, den Verrückten und dem gesellschaftlichen Morast, der dich so anzuziehen scheint. Das macht mich fertig. Ich habe auch so genug Angst, zum Teufel.«
    Wenn sie fluchte, war sie sehr verzweifelt, das wusste ich. Also behielt ich meinen Kummer seitdem für mich.
    ***
    Wir waren am Autohof in Kritzow verabredet. Hier, so hatte Enrico mir am Telefon mitgeteilt, wäre der beste Ort, wenn man in Wismar mit der Fernfahrerszene in Kontakt kommen wolle. Gleich neben dem Autohof lag ein Truckerrastplatz, wo die Fahrer abends, wenn sie ihr Zeitkontingent am Steuer ausgeschöpft hatten, hielten, um die Nacht in ihren LKW zu verbringen.
    Ich parkte den BMW am Rand des Autohofes, stieg aus und erkannte den Science-Fiction-Autor und Kraftfahrer sofort wieder. Er saß als Einziger auf einer der Picknickbänke im Außenbereich der Raststätte und winkte mir zu. Der Autohof war kaum belebt. Es war kurz nach acht Uhr abends mitten in der Woche. Die Sonne stand schon tief und tauchte die profane Szenerie der großen Tankstelle am Wismarer Stadtrand, die ich zwar noch nie besucht hatte, die mir jedoch so bekannt vorkam, wie einem eben alle Tankstellen und Autobahnraststätten in ihrer immer gleichen Einförmigkeit vertraut sind, in ein klares, rötliches Licht, das jedes Detail überdeutlich hervortreten ließ.
    Weder an den Zapfsäulen für PKW noch an dem gesonderten Terminal für LKW standen

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