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Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
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können. »Der kommt aus einem winzigen Dorf in der Nähe von Bützow. Dort gibt es so einen Dorfbums – nee, nicht, was du jetzt meinst. So ein ganz einfaches Clubhaus im Ranchstil, das einige der Dorfbewohner betreiben, wo ab und zu Livemusik gespielt wird und sich am Wochenende alle treffen, um sich zu betrinken. Das habe ich kennen gelernt, weil mein Göttergatte dort ab und zu auf der Bühne steht.« Ihr Lebensgefährte war Musiker und spielte in verschiedenen regionalen Bands. »So ist mein Kontakt zu dem Shootingstar der Science-Fiction-Szene entstanden.« Sie grinste und legte den Kopf schief. »Soll ich euch mal miteinander verbandeln?«
    Einige Stunden später fuhr ich nach Schwerin, um Kommissar Luckow zu treffen. Ich hatte Glück und erwischte ihn im Innendienst. Er holte mich an der Pforte ab und lotste mich, nachdem ich mir den Besucheranstecker an der Brust befestigt hatte, in sein Büro. Es war nicht das mir bereits bekannte Zimmer mit der Einwegscheibe, sondern ein großer Raum mit hohen Fenstern und fünf Schreibtischen; an dreien arbeiteten Kollegen, telefonierten oder tippten auf ihren Computertastaturen. Luckow deutete auf den Besucherstuhl vor seinem Tisch.
    »Worum geht es, Herr Weller?«
    „Ich habe mir gedacht, wir machen das heute mal ganz informell. So wie beim letzten Mal, als Sie meine Frau befragt haben. Kurzer Dienstweg, sozusagen. Natürlich nur, wenn Sie einverstanden sind.« Mein Lächeln versiegte in der starren Miene meines Gegenübers. Der geht zum Lachen in den Keller, schoss es mir in den Kopf. Da ließ Luckow ein freudloses Brummen hören.
    »Sie haben einen Hinweis in der Sache Hausmann, sagen Sie? Nur heraus damit.« Er setzte sich ebenfalls und klappte einen geöffneten Aktendeckel zu, legte ihn sorgfältig, Kante auf Kante, auf den ebenso säuberlich ausgerichteten Aktenstapel neben seinem Computermonitor. Seine grauen Augen musterten mich kühl.
    »Ich habe bei jemandem Tätowierungen an den Beinen entdeckt, die möglicherweise denen des Mannes an diesem Fotoautomaten entsprechen.« Mein Herz schlug heftig. In diesem Augenblick wurde ich zum Denunzianten, zum Verräter, ja womöglich gar zum Verleumder. Doch ich konnte nicht mehr zurück. »Es ist Wolfgang Zorn, der gestern Abend wegen Bewährungsverstoßes wieder in Haft genommen worden ist.«
    Luckow blickte mich interessiert an. Vermutlich dachte er so etwas wie ›Schau an, Bewährungshelfer Weller betätigt sich als Blockwart‹. Oder würde er ›Abschnittsbevollmächtigter‹ denken? Meine Gedanken verzweigten sich auf Abwege, ließen mich mutmaßen, ob Luckow in der DDR oder im Westen Deutschlands aufgewachsen war. Ich tippte, aus diffusen, nicht benennbaren Gründen, auf Ersteres. Nun zog er aus dem oberen Drittel des Stapels eine Akte, blätterte und legte dann zwei Blätter vor mich hin.
    »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir versäumt haben, Herrn Zorns Tätowierungen mit diesen hier zu vergleichen?« Sein Tonfall war arrogant, aber, wie ich schnell bemerkte, durchaus berechtigt. Ich sah Fotos zweier Männerwaden in körniger Auflösung, die über und über mit dunkelblauen, fast schwarzen und kirschroten Ornamenten übersät waren. Keine Meerjungfrauen, Sensenmänner oder Panther. Nichts Gegenständliches. Ich schluckte und spürte, wie mein Gesicht heiß wurde.
    »Für den Fall, dass Ihnen noch einmal irgendwelche Tätowierungen über den Weg laufen sollten …«, er grinste süffisant, »sehen Sie sich diese hier ganz genau an. Polynesische Tribal Tattoos.« Luckow klang zufrieden. »Keine Knaststechereien wie an Zorns Beinen. Diese hier müssen in einem Tattoostudio gemacht worden sein, von jemandem, der sich darauf versteht. Wir überprüfen bereits, wer dafür im Raum Westmecklenburg und den angrenzenden Gebieten in Frage kommt.« Er legte die Fotos zurück in die Akte. »Aber vielen Dank für den Hinweis auf dem kurzen Dienstweg, dass Zorn wieder inhaftiert ist.« Ein schmales Lächeln huschte über seine Lippen.
    Mir war leicht übel und ich wusste nichts zu entgegnen. Ich hatte mich innerhalb von Sekunden von einem aufmerksamen Zeugen in einen erbarmungswürdigen Volltrottel verwandelt. Luckow kramte noch einmal in der Akte herum und zog ein weiteres Blatt hervor.
    »Und dann ist da noch etwas, das ich Ihnen zeigen möchte.« Er drehte das Papier um 180 Grad und ich blickte in mein eigenes, einfältig glotzendes Gesicht. Im Hintergrund volle Verkaufsregale, am unteren Bildrand eingeblendet

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